besser spät als nie, sagte ich mir und mache mich daran, meine Geschichte zu erzählen.
Die ersten Vorboten des bösen H verspürte ich Januar 2006, als ich gerade durch türkisblaues Wasser in Thailand tauchte. Ein Stechen vorne am Brustbein. Ein paar Tage später hatte ich plötzlich eine kleine Beule links vom Brustbein und stechende Schmerzen an den Rippen. Gleichzeitig bemerkte ich unter dem linken Arm einen tischtennisballgroßen Knoten.
Zurück in Deutschland begab ich mich Anfang Februar zum Frauenarzt, weil ich dachte, der Schmerz gehe von der Brust aus. "Ist nur ne Zyste", sagte die, "und wegen der Beule gehen sie mal zum Orthopäden. Aber machen sie sich keine Sorgen, das ist nichts Schlimmes". Der Orthopäde "Hm, hatten Sie einen Unfall? Nein? Komisch. Naja, egal, dann nehmen sie mal dieses Schmerzmittel, das wird mit der Zeit wieder weg gehen, kann aber ein paar Wochen dauern." 6 Wochen fleißiges Schmerzmittelnehmen später ist der Schmerz immer noch nicht weg, die Beule weiter gewachsen und von einem Tag auf dem anderen hab ich auch dicke Lymphknoten am Hals und am Schlüsselbein. Mein Chef rettet mich, indem er mir empfiehlt, zum Tropeninstitut zu gehen. Die dortige Ärztin erfasst die Lage innerhalb weniger Minuten und so werde ich zur Entnahme eines LK ans UKE geschickt. Wo gerade gestreikt wird. Eine Erfahrung, die ich niemandem gönne, wenn man Angst vor einer schweren Krankheit hat und in einem streikenden Krankenhaus liegt. Wenn ich nicht irgendwann persönlich den Chef der Chirurgie aufgesucht hätte und um eine Entnahme geradezu angebettelt hätte, würde ich vermutlich heute noch dort rumliegen und warten.
Diagnose MH 2 BE mit Risikofaktoren erhöhter BSG, Extranodalbefall (Knochen und Haut), mehr als drei Areale. Daher wurde ich dann auch der fortgeschrittenen Fraktion zugeordnet. Die Beule auf der Brust kam von einem Lymphknoten, der durch die Rippen wuchs. Schon ein eigenartiges Verhalten für einen Lymphknoten, das sollte einem zu denken geben

Meine Erfahrungen im Uniklinikum brachten mich zum Krankenhaus St. Georg (Dr. Stuhlmann). Dort erhielt ich 8 x BEACOPP esc. nach HD15, Dosisstufe 4 (warum Dosisstufe 4 und nicht 5 weiß ich bis heute nicht). Zusätzlich bekomme ich eine ganze Armee von Antiübelkeitsmitteln und anderen Medikamenten, um Nebenwirkungen zu verhindern: Emend, Kevatril, Fortecortin, MCP, Fenistil, Ronitidin, Uromitexan, Ampho Moronal, Pantozol, zusätzlich zur Verwendung bei Bedarf MCP-Tropfen und Zofran. Und natürlich Neupogen. Aber es hilft: Ich habe – außer ganz selten etwas Mattigkeit – keine Nebenwirkungen.
Gleich nach dem ersten Zyklus kleiner Schock: An Tag 1 von Zyklus zwei entwickele ich eine Lungenentzündung - leider nachdem die Medikamente bereits verabreicht waren. Zum Glück heilt das Ganze ohne weitere Komplikationen ab. Nur muss ich dadurch 2 Wochen pausieren, bevor es dann mit Zyklus 3 weiter geht.
Die Therapie verläuft ansonsten ohne irgendwelche Zwischenfälle, ich fühle mich durchgängig fit und bin aktiv, besuche Kurse, genieße den Sommer. Nach dem vierten Zyklus wird auf Dosisstufe 3 reduziert, weil sich meine Blutwerte zu langsam erholen.
Am Ende von BEACOPP Ende September 2006 habe ich lediglich Restgewebe von max. 2,5 x 2 cm Größe und meine Ärztin betrachtet mich schon als geheilt. Die PET bringt dann überraschenderweise ein unvermutetes Leuchten unter der linken Achsel in einem nur 1 cm großen Knoten. Zur Sicherheit wird dieser bestrahlt. Das Restgewebe im Mediastinum (wo auch der Knochenbefall liegt) jedoch nicht, da dort auch nichts leuchtet.
Tja. Das war leider ein Fehler. Schon etwa einen Monat nach Ende der Therapie hab ich das Gefühl „da wächst wieder was im Mediastinum“. Meine Ärztin beruhigt mich: „Frau ..., ALLE Patienten haben das Gefühl, da wächst wieder was.“ Endlose Beschwichtigungen später habe ich Ende Dezember dann auch Alkoholschmerzen, Mitte Januar eine erhöhte BSG – tja und bei der ersten Nachsorge Ende Januar wird deutlich, dass im Mediastinum neben einigen kleineren Knoten ein Knoten von 7,5 x 4 cm Größe sitzt. Nachdem vorher alle die Ruhe weg hatten soll es nun plötzlich wieder alles ganz schnell gehen und meine Ärztin bucht sofort ein Bett für mich. Obwohl ich mittlerweile das gesamte Paket an Symptomen hab – insbes. hohes Fieber – entscheide ich mich, noch eine zweite Meinung in Köln einzuholen. So fahre ich mit meinem Vater in einer Blitzaktion nach Köln. Die Kölner tragen unseren Überfall echt mit Fassung und nehmen sich spontan Zeit für uns (Dr. Borchmann). Dann schaue ich mir die Station an – und entscheide nach einem Gespräch mit Dr. Elter spontan, mich in Köln weiterbehandeln zu lassen (wer Dr. Elter kennt wird wissen, warum

Ich bekomme in Anlehnung an die HDR-2-Studie (Arm B) zwei Zyklen DHAP, dann in der sequentiellen Hochdosistherapie Etoposid und Cyclophosphamid, anschließend BEAM mit einer autologen Stammzellentransplantation. Nach den ersten beiden Zyklen DHAP wird die erste PET gemacht und die verheißt nichts Gutes: Der Lymphknoten im Mediastinum strahlt noch mit voller Kraft (6,8 SUVmax). Außerdem hab ich immer noch B-Symptome. Nach der sequentiellen Hochdosis ist das Leuchten deutlich weniger geworden (3,0 SUVmax) und man entscheidet sich, die Hochdosistherapie zu machen. Entgegen meinem Gefühl, welches mir sagt: Es wird nicht reichen. Leider höre ich auf meinen Arzt (Prof. Engert) entgegen meiner Intuition. Wieder läuft alles sehr glatt, ich hab zwar zwischendurch immer mal etwas Fieber und als einzige echte Komplikation eine Gürtelrose auf dem Arm, wegen der eine Woche pausiert werden muss - aber mir geht's ansonsten echt gut, weiterhin keine Nebenwirkungen außer schlapp hier und da. Anschließend wird der Lymphknoten im Mediastinum noch bestrahlt. Schon während der Bestrahlung geht es wieder mit Juckreiz los und ich ahne es schon. Zwei Wochen nach Bestrahlung dann von einem Tag auf den anderen wieder ein dicker Lymphknoten unter dem rechten Arm. Tja. Ein paar Tage später die traurige Gewissheit: Es ist wieder was gewachsen.
Neben zwei Lymphknoten in der Achsel hab ich auch noch ein paar neue im unteren, nicht bestrahlten Mediastinum. Der bestrahlte Knoten scheint „ruhig“ zu sein. Glücklicherweise wurde dieser erneute Progress aber so früh erkannt, dass die Knoten noch verhältnismäßig klein sind, maximal 4x2 cm. Es wird ein Knoten unter der Achsel entnommen, weil ich das möchte. Ergebnis: Es ist weiterhin MH, mittlerweile allerdings ein lymphzytenarmer Typus (vorher nodulär-sklerosierend). Man eröffnet mir, dass die allogene Transplantation meine einzige reelle Chance ist, geheilt zu werden. Alternativ könnte ich in einer Phase 1 Studie eines neuen Medikamentes mitmachen, Lenaliddormide. Spontan bin ich wenig begeistert. Doch 2 Tage Internetrecherche verdeutlichen mir, dass es wirklich meine einzige echte Chance ist. Insofern stimme ich zu.
Ich bekomme ein „neues“ Regime, IGEV mit Gemcitabine und Iphosphamid. Dieses erscheint mir im Vergleich zu den Vortherapien recht milde. Trotzdem bin ich 5 Tage in Aplasie und erhole mich recht langsam, weshalb zunächst entschieden wird, die Dosis vom Iphosphamid zu halbieren. Jetzt verlasse ich mich aber auf meine Intuition und so bekomme ich 7/8 der normalen Dosis – die ich sehr gut vertrage – ich bin keinen Tag in Aplasie. Der dritte Zyklus wird dann wieder mit voller Dosis durchgezogen. Nach jedem Zyklus wird eine PET gemacht und nach dem zweiten Zyklus zusätzlich ein CT. Bereits nach dem ersten Zyklus sieht man eine Verminderung der Aktivität und so geht es weiter. Nur kleiner werden wollen die Knoten nicht. Nach dem dritten Zyklus wird entschieden, dass die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transplantation gegeben sind und dass man nicht länger warten will.
Ich entscheide mich, die Transplantation in Hamburg zu machen, 1. weil ich Heimweh hab, 2. weil die Komplikationen i.d.R. nach der Transplantation kommen und ich dann die „rettende“ Klinik in der Nähe haben will und 3. weil Hamburg einen guten Eindruck macht.
Da stehe ich jetzt, Stand Ende September 2007.