
Im Moment, ein Jahr nach der Therapie, bin ich an einer Stelle, an der ich diese ganze MH-Geschichte unglaublich unfair finde:
Morgen hätte ich eigentlich, wenn MH nicht gewesen wäre


Aber nein, es musste ja anders kommen.
Viele sagen zu mir, dass ich froh sein sollte, den ganzen Stress jetzt nicht zu haben, aber das bin ich nicht.
Die letzte Woche hat meine alte Stufe ihre letzte Schulwoche gefeiert und sie kamen jeden Tag unter nem anderen Motto verkleidet zur Schule. Als ich das gesehen habe und mir dachte, dass ich eigentlich jetzt auch dabei wäre, wurde ich einfach nur traurig.
Ich bekam zum ersten Mal das Gefühl, dass ich nicht mehr dazu gehöre.
In meiner jetztigen Stufe habe ich mich gut eingelebt und dort sind wirklich viele nette Leute, aber mir fällt es sehr schwer mich damit abzufinden, dass ich nun ein Jahr länger brauchen werde.
Das ist für mich mit die blödeste Folge, die der Hodgkin mit sich bringt.
Sonst hab ich fast mit ihm abgeschlossen und für mich ist er schon weit weg. Manchmal kommt es mir sogar so vor, als ob das alles gar nicht mir passiert wäre.
Für manche ist das vielleicht eine belanglose Kleinigkeit über die es sich nicht lohnt sich drüber aufzuregen. Vor allem die, die gerade noch tatkräftig gegen MH kämpfen und mitten in der Therapie stecken, sehen das vermutlich so. Einerseits kann ich verstehen, wenn man dann sagt, ach Judith, stell dich nicht so an! Es gibt Schlimmeres!
Ich weiß, dass ich es so sehen sollte, dass ich was Bedrohliches überstanden habe und irgendwie denke ich mir, dass ich doch eigentlich vor Dankbarkeit platzen sollte, aber so ist es nicht. Der Himmel ist für mich immer noch so blau, wie er auch vorher war...
Es ist nicht nur die Tatsache, dass ich jetzt ein Jahr länger bis zum Abi brauche. Ich habe mich schon soo lange auf "das danach" gefreut. Wenn ich mein Abi in der Tasche habe, dann beginnt für mich-wie vermutlich für jeden- ein neuer Lebensabschnitt. Ich möchte dann gerne studieren, auszuziehen in eine kleine Bude oder WG oder was auch immer. Halt in ein selbstständiges Leben starten.
Und wenn man dann sieht, wie die Freunde um einen herum das verwirklichen, worauf man sich so freut und man weiß, dass man eigentlich auch das alles machen könnte, dann wird man schon etwas traurig und mir fällt es schwer mich für die anderen mitzufreuen.
Aus diesem Grund weiß ich auch nicht, ob ich zum Abiball gehen soll. Meine Freunde wollen mich zwar dabei haben, aber ich hab ein bissel Schissel, dass ich dann mit ner langen Flappe da stehe und den anderen wohlmöglich die Stimmung versaue, weil es wäre ja eigentlich auch mein Abiball gewesen...
Mal eine generelle Frage, die sich mir manchmal stellt:
Darf man sich über solche Dinge überhaupt aufregen, oder sollte ich nicht eher total froh und dankbar sein, dass der ganze Dreck vorbei ist und der ganzen Welt einen Schmatzer geben?
Ich bin ja froh, aber ich darf doch trotzdem sauer über solche "Folgen" sein, oder? Schließlich kann ich ja nix dafür, dass ich MH hatte... Oder ist es undankbar so zu denken, weil ich ja schließlich das wohl überhaupt Wichtigste wieder bekommen habe: Gesundheit.
Ich fühle ich mich gerade wie eine Philosophin... "Existiert dieser Tisch dort wirklich, oder glauben wir nur, dass das dort ein Tisch ist, aber in Wirklichkeit ist es etwas gaaanz anderes?"


Naja, wie auch immer

Danke für´s lesen!
Liebe Grüße
Ju