
So, dann will ich mich auch einmal hier registrieren und vorstellen. Ich les hier schon seit meiner Diagnose fleißig mit und hab schon so manch einen hilfreichen Tipp bekommen. Vielleicht kann ich mich ja später bei Neuen revanchieren, wenn ich dann die ganze Prozedur durch hab…
Erstmal zu mir. Ich bin 21 Jahre alt und Studentin im 6. Semester. Eigentlich hatte ich vor, dieses Semester endlich von Zuhause auszuziehen, aber jetzt bin ich ganz froh, dass ich es nicht getan habe. Es ist doch ganz angenehm, wenn die Familie sich um einen kümmert und man jemanden losschicken kann, der in der leukoschwachen Zeit einkaufen geht

Naja, angefangen hat alles Ende Februar, als meine Lymphknoten am Hals anschwollen. Da dachte ich mir aber erstmal nicht viel bei. Nach 1 ½ Wochen bin ich dann doch mal zum Hausarzt gegangen. Der dachte erst, es wäre eine Zyste, aber als der meine extrem hohen Entzündungswerte im Blut gesehen hat, hat er für die Woche darauf gleich einen Termin für ein MRT veranlasst. Das war an einem Dienstag. Bis dahin wusste ich noch gar nicht, dass es eventuell so was wie Lymphdrüsenkrebs sein könnte, mein Arzt wollte mir keine Angst machen, bis die Diagnose nicht klar ist. Das MRT ergab dann, dass nicht nur die Lymphknoten am Hals, sondern auch die am Mediastinum stark angeschwollen sind und „konglomeratartig zusammengelagert“ sind. Mit dem Arzt dort hab ich mich nur etwa 3 Minuten lang unterhalten, aber in diesen 3 Minuten fiel bestimmt 5 mal das Wort „Chemotherapie“ und genauso oft das Wort „Krebs“. Der kannte mich gar nicht und schleudert dann mal eben so nebenbei solche Wörter in den Raum… Fand ich hammerhart. Er hat mich dann mit den Worten „Machen Sie sich keine Sorgen, Sie werden wieder gesund“ aus dem Raum geschickt. Aber so was beruhigt einen in dem Moment ja auch nicht wirklich. Ich bin dann am selben Abend mit den Bildern noch zum Hausarzt gefahren, damit der mich aufklärt. Der hat sich dann auch bei der Uniklinik Münster gemeldet und die wiederum riefen direkt am nächsten Tag an, damit ich für einige Untersuchungen vorbei komme. Außerdem haben die schon einen Termin mit der Chirurgie gemacht, um einen Lymphknoten zu entnehmen.
Also am Mittwoch lauter Untersuchungen, am Donnerstag morgen eine wichtige Klausur geschrieben und direkt danach stationäre Aufnahme in die Chirurgie. Freitag operiert, Samstag entlassen. Lief auch alles gut, bloß, dass meine Schulter leicht taub ist. Es kribbelt aber manchmal, also scheinen die Nerven wieder zu wachsen.
Die Woche darauf lief das ganze Staging ab. Ich hatte morgens immer Laborpraktikum in der Uni und bin von da mittags immer in die Uniklinik gefahren, die praktischerweise fast direkt daneben liegt. Die Untersuchungen, die ich gemacht hab: Lufu, EKG, Knochenmarksbiopsie, Echo, Blutuntersuchungen, PET-CT. Das sind doch auch die Wichtigsten, oder? Ich hab hier letztens noch was von einer Skelettszintigrafie gehört, da muss ich mich noch mal informieren…
Naja, das Ergebnis: Morbus Hodgkin, Stadium IV AE (Hals, Mediastinum, Milz, kleinere Rundherde in der Lunge und ein Lymphknoten seitlich des Magens). Behandelt wird mit 6x BEACOPP esk. nach der Studie HD 18.
Das Ergebnis hab ich am Dienstag bekommen, das Staging-Ergebnis am Freitag. Die Ärztin hat mir sehr einfühlsam gesagt, dass es Hodgkin ist und ich damit ziemlich gute Chancen auf Heilung habe. Trotzdem schockt einen die Diagnose natürlich. Kaum eine Stunde später saß ich dann bei der Gynäkologin in der Kinderwunsch-Klinik und hab mir anhören müssen, dass ich wahrscheinlich unfruchtbar werde und was ich dagegen tun möchte. Ich hab mich für die Enantone-Spritze entschieden und für eine Kryokonservierung von Eierstockgewebe. Abends hab ich dann meinen Eltern von der Diagnose erzählt. Das mochte ich nicht mittags am Telefon machen. Die waren natürlich geschockt und auch meine Geschwister… Ich bin erstmal zu einer Freundin gefahren, weil ichs zu Hause nicht mehr ausgehalten hab. Meine Mutter steht der ganzen Sache nämlich leider nicht so positiv gegenüber. Sie hat immer schon eher das Negative gesehen und ich muss ein bisschen aufpassen, dass sie mich da nicht mit runterzieht. Es ist aber schon besser geworden, nachdem ich ihr ein paar deutliche Ansagen gemacht habe und gesagt habe, dass ich Äußerungen wie „Hoffentlich wirst du wieder gesund“ und „Dann geht’s dir ja richtig schlecht in nächster Zeit“ nicht hören möchte. Ersteres steht für mich nämlich außer Frage und letzteres muss sich erstmal rausstellen, denn ich bin praktisch der erste Krebs-Patient in unserer Familie (außer der Bruder meines Opas…).
Naja, die Woche darauf begann die Vorphasetherapie, bei der ich unter anderem eine Menge Cortison bekommen hab, damit die Lymphknoten schon mal abschwellen. Zusätzlich immer noch 3 Liter Wasser zum „durchspülen“. Der Schuss ging aber wohl nach hinten los, denn das ganze Wasser sackte in meine Beine. Ich hatte richtig ekelige dicke Elefantenbeine und klumpige Füße. Nachts konnte ich nicht flach liegen, weil alles auf den Brustkorb drücke und ich stechende Schmerzen im Oberkörper bekam. Also hab ich im Fernsehsessel geschlafen, da waren der Oberkörper und die Füße hoch. Wo also fließt das Wasser hin? Richtig, alles in die Hüften und in den Lendenwirbelbereich, war schließlich der tiefste Punkt



Die Woche danach begann die eigentliche Chemotherapie. Mittlerweile bin ich bei Tag 11 des ersten Zyklus und ich muss sagen, ich hab mir das Schlimmer vorgestellt (schnell auf Holz geklopft).
Nebenwirkungen bisher sind:
- Leichtes Schlingern im Magen an Tag 1 und 2,
- übelste Müdigkeit an allen Tagen, an denen ich am Tropf hing,
- Nierenschmerzen beim Wasserlassen an Tag 1 – 4,
- leichte Knieschmerzen zwischendurch ab Tag 8,
- leicht gerötete Augen ab Tag 8,
- manchmal schlechter Geschmack im Mund und Geschmacksveränderung (kann es sein, dass ich die Bitterstoffe mehr schmecke? Selbst Schokolade schmeckt leicht bitter),
- Magenprobleme (mal leichte Verstopfung, dann mal wieder leichter Durchfall),
- extremer Nachtschweiß die letzten zwei Nächte (evtl. wg. Wechseljahrsbeschwerden durch die Enantone, da ich beim Hodgkin kein Nachtschweiß hatte),
- Juckreiz und kleine Pickelchen im Dekolltee- und Rückenbereich (ich schätze vom Shampoo oder vom nächtlichen Schwitzen, ist aber schon besser geworden, nachdem ich ein Duschgel ohne Parfüm gekauft habe),
- zwischendurch ab und zu Handkrämpfe, die aber ganz schnell vorbei gehen und auch nicht weh tun
Das hört sich irgendwie ganzschön viel an, aber ist echt kaum der Rede wert. Ich fühl mich ansonsten total gut, mach bei schönem Wetter Inlinertouren mit dem Hund, geh joggen und möchte auch gerne weiter zur Uni gehen, wenn meine Leukozyten das mitmachen.
Außerdem hab ich wirklich tolle Freunde, die mich unglaublich gut unterstützen und mir bei allem helfen, sei es beim Perücken aussuchen oder auch nur, dass man Abends zusammen sitzt und quatscht. Sie fragen auch immer, wie es um meine Leukozyten steht und wenn die zu tief sind machen wir eher einen gemütlichen Abend statt Disco


So, es ist ein bisschen länger geworden als geplant, vielleicht liest es sich ja trotzdem jemand durch

Bis dann!