Beitragvon Sabi » 19.06.2009 12:58
Wie ich bereits in meinem vorherigen Posting geschrieben hatte, geht es nicht darum sämtliche "Laster" unmittelbar mit Diagnose abzulegen - das würde das Leben wirklich sehr eintönig machen. Aber trotzdem bleibe ich bei der Meinung, das man auch "Banalitäten" Raum geben soll - aber wie ich diese Banalitäten in den "großen Kontext" einordne, das hatt sich bei mir verändert. Und wer es nicht glaubt, das vom Haarefärben nach Hodgkin explizit abgeraten wird, der kann ja einfach bei der nächsten Nachsorgeuntersuchung das Thema beim Onkologen ansprechen.
Um es mal ganz klar zu machen, MH ist kein lästiger Schnupfen, der mit ein paar Infusiönchen wieder weg ist und alles ist in den Butter. Ich vermisse etwas, den Gedanken daran, das dies nicht so selbstverständlich ist. Es ist ehrlich gesagt, großes Glück nach einer Krebserkrankung "weitestgehend" unbeschadet wieder weiterleben zu können. Die Diagnose und die sehr große Chance auf Heilung (die wirklich bei MH einzigartig ist) empfinde ich bis heute als Geschenk. Ein Blick über die eigene Krebserkrankung hinaus und es wird denke ich sehr deutlich, das dieser Krankheitsverlauf wirklich ein Geschenk ist. Wir haben alle die Therapie angefangen mit dem Wissen, das eine im Regelfall bombastisch hohe Heilungswahrscheinlichkeit besteht. Andere haben dieses Glück nicht - von daher, empfinde ich, solche Gedanken wie Haarfarbe zwar normal - aber wenn ich das das Gefühl vermittelt bekomme, das das ein Punkt ist (der auch noch während der Therapiezeit den höchsten Stellenwert bekommt), finde ich das sehr befremdlich.
Natürlich ist es für keinen schön, das die Haare ausfallen und man nicht genau weiß, kommen sie wieder (gerade wenn auch bestrahlt worden ist) und wie sehen sie aus. Auch ich habe mir Gedanken darüber gemacht, aber im Endeffekt war es mir egal. Was nützen mir Haare, wenn ich es nicht "packe".. Heilung stand für mich an erster Stelle und erst Stück für Stück, wurden "Banalitäten" auch wieder bedeutsam. Trotzdem werden manche Sachen, niemals mehr so an Bedeutung haben.
Ich denke aber, das hier auch der Zeitabstand zur Therapie eine große Rolle spielt. Angst vor der Zukunft, Angst vor einem zweiten Krebs - nein, die habe ich nach der langen Zeit in Remission nicht mehr. Bis dahin, war es aber ein sehr langer Weg - und ich bin froh, mittlerweise an dem Punkt angekommen zu sein, wo ich zum Teil wochenlang nicht an das Thema denke. Das ist für mich, sich das Leben "zurückholen" und nicht in dem Wissen, das davon abgeraten wird, mich trotzdem in die Sonne zu pflanzen.
Das hat herzlich wenig mit den ganzen Tag auf den "Knien herumrutschen" zu tun - aber eine gewisse Dankbarkeit, sollte schon vorhanden sein. Und Rebecca, ich denke, niemand hier im Forum hat dir das "Verdrängen" des MH nahegelegt - ich denke, ich greife nicht vor, wenn ich sage, das gerade das eher kontraproduktiv ist.
Auch mir wurde während meiner Therapiezeit geraten, bewusst mit dem Thema umzugehen - auch ich konnte damals nicht wirklich glauben, das der MH auch nach Therapie noch einen hohen Stellenwert im Leben hat. Aber auch bei mir war es so und auch bei mir, ist das "Phänomen" aufgetreten (wie bei so vielen), das nach einem Jahr die große "Erkenntnis" kam und das es vielleicht doch "zuviel" war, was ich mir zugemutet hatte und auch die Erkenntnis, das sehr wohl Folgeerscheinungen vorhanden sind. In dem Moment, nahm der zuvor erfolgreich verdrängte MH einen so großen Stellenwert ein, das ich zum Teil alles in Frage gestellt habe. Von da bis jetzt und er wirklichen Beschäftigung mit der Erkrankung und den Folgen - sehr langer und unbequemer Weg. Und je länger ich in Remission bin, um so dankbarer bin ich, das es so ist, wie es ist.
Ich kann von mir sagen, das man "Normalität" so wie es vor dem Krebs war, nicht erzwingen kann, indem man alles verdrängt. Die "Normalität" kommt wieder mit der Zeit - aber es dauert und bis heute, bewahre ich mir in bestimmten Situationen, den Gedanken an MH auf - da wird einem bewusst, wie "wichtig" manche Sachen sind oder eben auch nicht.
LG