Beitragvon Roesti » 10.10.2012 18:35
Tja, ich war so eine Mischung aus Mariii und Marion. Ich bin auch ganz offen mit der Krankheit umgegangen, habe mich viel in der Öffentlichkeit gezeigt und mit allen darüber gesprochen, auch unter Verwendung des (Un-)Wortes Krebs, auch wenn es mir am Anfang selber schwer fiel. Auf jeden Fall wollte ich vermeiden, dass Gerüchte über Siechtum und Scheintot kursieren, denn es ging mir nie wirklich richtig schlecht. Müdigkeit, extreme Schwäche, Übelkeit (wenig), hoher Puls, Knochenschmerzen, das alles war vorhanden aber erträglich und hat mich immer nur 3 oder 4 Tage außer Gefecht gesetzt. An den Tagen mit wenig Leukos habe ich die Außenwelt gemieden - aus Selbstschutz und das hat gut funktioniert. Ansonsten habe ich das Ganze auch mit einer großen Portion Galgenhumor getragen.
Blöde Sprüche habe ich auch jede Menge zu hören bekommen, aber man muss nachsichtig sein, denn die Leutchen wissen oft echt nicht, wie und ob sie das Thema ansprechen sollen. Auch hier war die Offenheit von Vorteil, denn die Bekannten und Freunde verloren die Scheu und haben sich regelmäßig gemeldet oder sind gekommen. Das hat mir sehr geholfen, halbwegs normal weiterzuleben.
Die blödesten Sprüche hörte ich allerdings vom einen oder anderen Arzt! Die sollten es eigentlich besser wissen...
Auch mein Chef war sehr dankbar, dass ich von Anfang an mit offenen Karten gespielt habe. Ich erklärte ihm, dass ich einen Tumor habe, dass er mit Chemo- und Strahlentherapie behandelt wird und ich keinen blassen Schimmer habe, was da auf mich zukommen wird - wie heftig, wie lange, mit welchen Konsequenzen. Habe ihn dann von Zeit zu Zeit informiert und habe sehr viel ehrliches und angenehmes Mitgefühl erfahren und hatte alle Freiheiten, gesund zu werden. Auch jetzt sprechen wir noch öfters über die Zeit der Krankheit und die gemachten Erfahrungen, die teilweise auch eine Bereicherung waren - bei allem anderen Sch*** der damit verbunden war. Er hat erstaunlicherweise für sich selbst Lehren aus meiner Misere gezogen und sieht sein Leben nun mit anderen Augen.
Ansonsten muss ich sagen, dass einem erstaunlich viel Respekt gezollt wird, dass man Krebs hat/hatte, den Kampf aufgenommen hat, mit dem Ziel, zu gewinnen. Hierbei muss man aber fairerweise auch anmerken, dass andere mit anderen Krebsarten nicht unsere guten Perspektiven haben und somit der Umgang natürlich auch ein ganz anderer ist. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, wenn es eine Krebsart ohne Aussicht auf Heilung gewesen wäre. Die Haltung wäre sicherlich eine komplett andere gewesen. Die Aussage meinen Professors, dass ich gekommen bin, um gesund zu werden und dies auch mit großer Wahrscheinlichkeit funktionieren wird, hat mich von Anfang an aufgefangen. Bei schlechteren Karten, ich weiß nicht....???
Wie schon mehrfach hier im Forum ersichtlich wurde, können wir zwar eine super Statistik vorweisen, aber wenn man zu den 10-20 % gehört, wo's nicht gleich oder garnicht gut wird, nutzt einem die ganze schöne Statistik nichts. Berichte, Interneteinträge, Pressemitteilungen - alles lieb und recht und vor allem weit weg. Wenn es einem Bekannten in der unmittelbaren Umgebung mit gleicher Diagnose passiert (Rezidiv), leidet man mehr mit und stellt sich selbst schon die eine oder andere kritische Frage... Man wird mit dem "vielleicht doch nicht!" viel stärker konfrontiert.
Aber mit alle dem werden wir wohl lernen müssen, zu leben und das wird irgendwann auch funktionieren. Die Krankheit wird mit zunehmendem Abstand wohl mehr in den Hintergrund rücken, aber immer im Kopf bleiben. Inzwischen versuche ich, die positiven neuen Gedanken und Einstellungen zu bewahren und in den Vordergrund zu rücken, mit mehr oder weniger Erfolg.
So, jetzt ist aber genug philosophiert - ich mache mich jetzt salonfähig und gehe ins Theater - Ladies' Night - Komödie - mal wieder richtig lachen!!!
Liebe Grüße an alle die fertig oder noch mittendrin oder am verdauen sind
Rösti
Ich kann, weil ich will, was ich muss. (Immanuel Kant)
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MH Stadium 2A, RF hohe BSG, Mediastinaltumor 9,5x5,5x5,0, ED 08/11
08/11-12/11 2 x BEACOPP esk. und 2 x ABVD
01/12 Bestrahlung 15 x 2 Gy
16.03.12: CT -> Strahlenpneumonitis!
13.04.12: Beginn von Leben 2.0 - vermutlich geheilt
22.07.14: alle NUs bislang perfekt! Rest schrumpft weiter!
22.12.16: tutti paletti - alles so wie's sein soll - Kraft auch wieder zurück! NU-Intervall nun 9 Monate.
06.06.18: alles bestens - Intervall nun 1 Jahr!