mein Name ist Florian, bin 19 Jahre und habe mich nun nach der Hälfte meiner chemo doch dazu entschlosse mich hier mal vorzustellen.
Zu meiner Vorgeschichte:
Es fing in den Osterferien damit an, dass ich plötzlich leichte Atemgeräusche hören konnte, wenn ich auf dem Rücken lag. Da ich aber selten auf dem Rücken liege kann es sein, dass es auch schon vorher der Fall war.
Am nächsten Werktag bin ich damit direkt zum Hausarzt gestiefelt, da mir schon der Gedanke an Lungenkrebs im Hinterkopf rumgeisterte. Der Hausarzt schickte mich sofort zum Radiologen, der nach dem Röntgenbild, was ihn offenbar nachdenklich gemacht hatte mit einem "viel Glück" in einen Nebenraum setzte wo ich aufs CT warten sollte. Nachdem das dann gemacht war erklärte er mir erleichtert, ich hätte eine Thymuszyste (etwa so groß wie das Herz), die, wenn ich mit meinem Abi fertig bin rausgenommen werden könnte. Der setzte sich mit einem Thoraxchirurgen in Verbindung der die Operation dann durchführen sollte.
Dann habe ich mich erstmal auf mein Abi gestürzt, wobei ich permanent Kopfschmerzen hatte, die auch durch Paracetamol und Aspirin nicht weggingen. Um eine andere Ursache auszuschließen wurde dann noch ein Schädel-CT gemacht, glücklicherweise ohne Befund. Iboprofen half dann ein wenig gegen die Kopfschmerzen, allerdings nicht viel. In der Endphase des Abiturs wurde ich dann zunehmend antriebslos und war oft erschöpft, was ich aber zunächst auf den Stress zurückführte. Später schickte man mich zum Kardiologen, der einen Woche für Woche größer werdenden Perikarderguss feststellte, der wohl für die Schwächegefühle verantwortlich war.
Der Perikarderguss beunruhigte den Kardiologen so sehr, dass er den OP-Termin vorverlegte und ich unmittelbar nach der letzten Prüfung ins Thoraxzentrum Herne kam, leider vor der Zeugnisvergabe und allen Feierlichkeiten, aber das lässt sich verschmerzen.
Bei der Operation stelle man fest, dass der Tumor mit der Lunge verwachsen war und nicht vollständig entfernt werden konnte, es wurde eine Probe entnommen und zur Analyse weggeschickt. Nach der OP fiel meine Luftröhre zusammen und es musste ein Tracheobronchialstent eingesetzt werden, da ich nicht mehr alleine Atmen konnte. Die ganze Aktion dauerte 8 Tage und laut meiner Eltern war ich die ganze Zeit unter Narkose und war intubiert, was sich allerdings nicht mit meinen Erinnerungen deckt, da ich wohl ziemlich Halluziniert und Geträumt habe (was nicht wirklich lustig war).
Die einzige Erinnerung die stimmte war, dass mich ein Arzt zwischendurch wach gemacht hat und mir die Diagnose Morbus Hodgkin mitgeteilt hatte. Viel konnte ich damit nicht anfangen, aber ich gab mich mit der Tatsache zufrieden, dass es behandelbar war und sagte ihm nichts von den Bildern, die ich an der Decke sah

Als ich wieder wach war wurde ich in ein anderes Krankenhaus mit einer Onkologischen Station gebracht. Die Halluzinationen dauerten noch eine Woche an und ich erholte mich langsam.
Ich hatte nen Laptop und Internet, was mir etwas dabei geholfen hat den Weg "ins Leben" zurückzufinden. Mittlerweile hatte ich mich auch umfassend über die Krankheit informiert. Wirklich Angst bekommen habe ich nicht.
Der Chefarzt bot mir an an der Studie HD15 teilzunehmen was ich beführwortete.
Es folgten viele Untersuchungen (Röntgen, CT, Lungenfunktion, Echo, Knochenszintigramm, Knochenmarkpunktion (URKS!!)...)
Dann wurde ein Port eingesetzt (meine Venen waren schon ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden, zudem hab ich am linken Arm eine Trombose) und als die OP-Folgen in einem annehmbaren Zustand waren wurde die Therapie begonnen: Morbus Hodgkin, nodulär sklerosierend Stadium IIB, keine Metastasen, 6*BEACOPP HD15, 21Tage
1.Zylkus:
Die ersten 3 Tage verliefen relativ Ereignislos. Am vierten Tag musste ich mich beim bloßen Anblick des TAbletts mit dem Abendessen (was mir schon vorher nicht gefallen hatte) erstmal gründlich Übergeben.
In den nächsten Tagen wurde ich zu meiner Erleichterung nach Hause entlassen.
Der Tagesablauf bestand im Wesentlichen aus Medikamenteneinnahme, Inhalation und Essen. Letzteres tat ich in einem Unfang, der selbst mich überraschte, da ich mich fragte wie mein Magen das aushält. Da ich aber 10Kilo verloren hatte war mir das nur recht.
Es folgte Tag 8 an dem ich zum ersten mal in der Hämatologischen Ambulanz war. Ich fühlte mich wieder einigermaßen, mein Blutbild sagte allerdings was anderes und die Schwestern riefen in der Studienzentrale in Köln an um sich zu vergewissern, dass sie unter diesen Umständen die Therapie geben könnten. In der Wartezeit bekam ich Vitamine verpasst, was meine Stimmung noch einmal etwas anhob.
Als ich dann zu Hause war, war aber Schicht im Schacht und ich konnte mich nur noch hinlegen.
In der folgenden Zeit musste ich alle 2Tage zur Blutkontrolle und hatte jedes mal einbisschen Angst, dass sie mich da behalten wollen würden. Trotz Leukos bei 0,4 geschah das aber zum Glück nicht. Mit Neulasta erholten sich die Werte dann ganz langsam wieder.
Ende der zweiten Woche entzündete sich die Luftröhre, da ich aufgrund des Stents kaum Luft bekam und versuchte den ziemlich festsitzenden Schleim abzuhusten, was mir aber nicht gelang. Als ich dann Fieber bekam musste ich doch wieder ins Krankenhaus und wurde mit Antibiotika vollgepumpt. Nach 3 Tagen ging das Fieber runter und der Stent wurde planmäßig entfernt. Als das Mistding raus war gings mir schlagartig besser und ich konnte sofort als ich aus der Narkose aufgewacht war Schmerzfrei Atmen und rumlaufen so viel ich wollte, ohne mich ausruhen zu müssen. Die Lungenfunktion war von 50% mit Stent auf 98% direkt nach der Entnahme gestiegen.
2. Zyklus (Dosisreduktion auf Stufe 3 wegen Neutropenie):
Am Abend des ersten Tages (Montag) war mir etwas komisch zu Mute aber mit MCP hielt es sich in Grenzen und ich konnte auch Essen, der Rest verlief relativ Problemlos. Ab Tag 8 gab es Neopogen (na Klasse, zu Clexane morgens und abends nun noch eine Spritzensorte dazu, wo soll ich hintechen!?!?), da Neulasta laut Studienprotokoll nicht zulässig waren. Für den Fall, dass ich Schmerzen bekommen sollte gab man mir Paracetamol, blöderweise hatte ich vergessen, dass das bei mir überhauptnicht wirkt, so wie ich einige andere Sachen von vor der OP vergessen hatte und bis heute einige Fragmente fehlen.
Donnerstag, also nach der vierten Neupogen fing es an: Zunächst spürte ich einen Muskelkaterartigen schmerz, der aber auszuhalten war. Später wurde es heftiger und ich bekam lachkrämpfe. 2 Stunden nach der Spritzen (um 0 Uhr) war der Spaß vorbei und ich konnte nicht mehr richtig liegen. Sitzen war etwas angenehmer aber irgendwann wurde auch das zur Qual, rumlaufen konnte ich aus Energiemangel dann auch nicht mehr und es wurde kompliziert. Um 5 oder 6 Uhr morgens wurde ich von meiner Mutter unter Höllenqualen 30km ins Krankenhaus gefahren.
Zunächst gab man mir Novalgintropfen, dann 1g Paracetamol und nochmal Novalgin. Danach noch ein anderes Schmerzmittel dessen Namen ich mich nicht mehr entsinnen kann. Da sich nichts an meinem Zustand änderte bekam ich Morphin und ENDLICH nach der 2ten Ampulle ließen die Schmerzen leicht nach und ich konnte mich etwas ausruhen. Am nächsten Tag hatte ich das GEfühl, dass das Morphin nicht richtig wirken würde und bekam Iboprofen (hätte ich mir ja denken können). Damit verschwanden die Schmerzen dann komplett und ich brauchte auch kein Morphin mehr.
Ausser den Schmerzen fehlte mir nichts, was dazu führte, dass mir im Krankenhaus schnell langweilig wurde.
Wieder zu Hause erlebte ich eine entspannte dritte Woche. Am Wochenende Unternahm ich etwas mit Freunden und eines Abends veranstalteten sie eine Überraschungsparty, was mich total umgehauen hat, da ich einige von ihnen mehr als 2 Monate nicht gesehen hatte.
Gestärkt und zum ersten mal wieder mit einem GEfühl, was fast der Normalität entsprach konnte in den 3ten Zyklus starten.
3. Zyklus:
Tag1: Übelkeit, Erbrechen konnte ich nur knapp verhindern, am 2ten Tag war es etwas besser der dritte Tag wurde wieder hart. Tag 8 verlief Problemlos.
Am Mittwoch der nächsten Woche war mein Blut wieder so im Eimer (und ich so müde) dass ich eine Bluttransfusion bekam (Hb bei 7,0, Leukos: 0,6). Mit dem Kommentar: "Heute Abend kannste wieder mit einem Bein aufm Tisch tanzen, morgen dann mit beiden" hängte sie mir die Konserven an. Sie hatte recht. Es ging mir schlagartig besser auch wenn am Freitag die Leukos bei 0,5 waren und ich mit Mundschutz rumrannte.
Mit dem Neupogen (wieder seit Tag 8 ) hatte ich dank Ibuprofen keine Schwierigkeiten. Am Montag waren die Leukos dann bei unglaublichen 44,3, also mal eben in 3 Tagen verachtungachzigfacht.
Diese dritte Woche war bisher die beste. Ich konnte mich mit Freunden treffen und fühlte mich Gesund wie nie zuvor (besser als vor der Operation sowieso). Es folgte ein Zulassungsbescheid von meiner Traum-Uni, eine LAN-Party und weitere treffen, die Erkenntnis die hälfte hinter mir zu haben hob meine Stimmung zusätzlich...ich kann mich wirklich nicht beklagen.
Einziger Wermutstropfen: Kribbneln und Taubheitsgefühle in den Fingern.
Da ich Klavier spiele, viel an PCs, Autos und Motorrädern rumschraube, Bastele, Löte etc. eine ärgerliche Angelegenheit....hoffentlich wirds nicht schlimmer.
4. Zyklus:
Die endlosen Infusionen gestern liessen sich dank MP3-Player wie immer gut überbrücken. Abends gings mir relativ schlecht, am Übergeben kam ich wieder knapp vorbei.
Heute ist Tag 2 und es geht mir schon wieder besser.
Ich habe mir Material zu meinem Mathevorkurs besorgt um mich geistig fit zu halten und vielleicht sogar schon dieses WS einsteigen zu können, mal sehen was daraus wird.
Diesen Zyklus steht das Zwischenstaging an und ich bin mal gepannt was draus geworden ist. Auf Röntgenbildern, die zwischendurch mal gemacht wurden konnte man erkennen, dass die ganze Geschichte schmaler wird. Allerdings vertraue ich Röntgenbildern nicht so wirklich, da das meiner Ansicht nach zu viel Interpretationsspielräume lässt.
...es geht weiter....
Grüße
Florian
PS: ui, viel geschrieben. Naja, war ja der Sinn der Sache, ich hoffe ich kann mit meinem Erfahrungsbericht vielleicht jemandem helfen