Hallo,
jetzt muss ich doch noch was zu diesem Thema schreiben.
Ich hatte ja exakt dieselbe Therapie wie Ingo, deswegen holte er sich per PN immer wieder Rat bei mir, stellte Fragen, wollte ganz genau wissen was auf ihn zukommen wird.
In Heidelberg werden autolog Transplantierte auch nicht isoliert (was mich anfangs sehr gewundert hat), weil man in den 15 Jahren, seit diese Therapie hier durchgeführt wird, die Erfahrung gemacht hat, dass die Häufigkeit von infektbedingten Komplikationen in der Isohaft nicht geringer ist. Ich hatte sogar schon mehrfach darüber geschrieben, dass man sich ernsthaft überlegt, die autologe Geschichte ambulant durchzuführen (wie in den USA), weil die Ärzte der Meinung sind, dass der Patient in seiner gewohnten Umgebung (sprich: zu Hause zwischen seinen "eigenen" Keimen) am besten aufgehoben ist.
Tatsache ist, dass die Aplasie (wenn die Leukos im Keller sind) eine richtig gefährliche Zeit ist, in der einem auch die Keime, die man eh in sich hat, lebensbedrohlich werden können - da braucht man gar keine von außen. Und dagegen nützt die Isolation auch nichts.
Zitat von Ingo's Bruder: "Was uns sehr verwundert hat, war, dass es keine Form der Isolierung auf der Station gab. Zum einen fand ich den Trakt relativ unsauber aussehend, zum anderen gingen unkontrolliert Familien mit Kleinkindern als Besucher ein und aus. Auf dem Zimmer von Ingo lag auch ein junger Krebspatient, der sich eine Lungenentzündung zugezogen hatte. Die Nachfrage bei Ärzten brachte nur die Antwort, dass bisher keine Studie erwiesen hätte, dass eine Isolation bei Hochdosispatienten eine Ansteckung verhindert hätte. Vielmehr würden die Patienten regelmäßig aufgrund körpereigener Keime krank werden. Ingo hat sich dann zumindest diese Einmal-Mundschutz Masken geben lassen, um sich wenigstens ein bischen gegen Keime von Außen zu schützen. Trotz allem wurde gestern bei einer Lungen CT eine leichte Lungenentzündung im unteren Bereich festgestellt."
Nicht jede Lungenentzündung ist ansteckend - man darf da nicht alles in einen Pott werfen.... (und mit Viren hat's soviel ich weiß schon gar nix zu tun...
)
Bei mir war eine Frau im Zimmer, die einen Pilzbefall in der Lunge hatte. Wenn sie für ihre Umgebung auch nur die geringste Gefahr bedeutet hätte, hätte man sie isoliert.
Im Nebenzimmer bekam ein Patient während der Aplasie irgendeinen bakteriellen Durchfall, den haben sie schleunigst verlegt (in Isohaft) und das Zimmer so gründlich gereinigt (desinfiziert), dass es tagelang nicht benutzbar war.
Wenn ich ein bißchen Fieber bekam (kam in der Aplasie paarmal vor), reagierten sie sofort, es wurden Bakterienkulturen aus dem Blut angelegt, Lungenröntgen und Stuhlprobe gemacht um zu gucken, ob da was im Anmarsch ist.
Antibiotika gab's eh die ganze Zeit als Infusion (prophylaktisch) und weil ich das Herpes-Virus habe, auch Aciclovir.
Es ist mir zum Glück noch vor der Hochdosis eingefallen zu erwähnen, dass ich gelegentlich mal einen Lippenherpes habe.... gefragt hat mich niemand danach....
Auch das Herpes - Virus ist in der Lage, einen in der Aplasie umzubringen.
Oder die Bakterien, die man im Mund (Zahnbelag!) hat.
Deswegen sollte man vorher zum Zahnarzt und während der Therapie peinlichst auf Mundhygiene achten....
Vielleicht ist die Jahreszeit auch nicht ganz ideal, im Frühjahr schwirren möglicherweise doch mehr Keime rum.... bei mir war Sommer.
Die Gefahren lauern überall, gerade deswegen versuchen die Ärzte die Aplasie-Zeit so weit wie möglich zu verkürzen. Ohne den "Trick" der Entnahme und Rückgabe der Stammzellen, wäre es gar nicht möglich die Chemo so hoch zu dosieren (wie es gegen das Rezidiv nötig ist), weil das Knochenmark danach gar nicht mehr - oder sehr lange nicht - in der Lage ist, Blutzellen zu produzieren. Das heißt, die Stammzellen braucht man zum Überleben, aber trotz dieser Methode und neuer, wirkungsvoller Medikamente (wie Neupogen z.B.), die die Aplasiezeit zu verkürzen helfen, kann es vorkommen, dass es in dieser Phase zu Komplikationen kommt.
Was mich allerdings schockiert - und woran ich in meiner Therapie nicht gedacht habe - ist, dass man diese selbst mit den modernsten Möglichkeiten nicht immer in den Griff kriegt. Das finde ich sehr traurig.
Eine ambulante Transplantation kann ich mir übrigens nicht vorstellen, weil ich auf diese sehr sorgfältige Rundumüberwachung und -betreuung, die auch auf der "normalen" Station stattfindet, nicht verzichten möchte.
Fazit: Ich glaube nicht, dass in Ingo's Fall fahrlässig gehandelt wurde. Ob ein Patient auf eigenen Wunsch isoliert werden kann, weiß ich nicht (in Heidelberg gibt's auf der Normalstation nur Doppelzimmer und Vollbelegung, es muss schon ein triftiger medizinischer Grund vorliegen, damit man allein ein Zimmer bekommt), kann aber aus eigener Erfahrung sagen, dass man auf Zeichen einer Infektion sehr achtet und sofort handelt.
Ich denke - und das tut mir unendlich weh - dass Ingo einfach nur Pech hatte.... womit niemand rechnen konnte und was leider auch nicht kalkulierbar ist.