Immer Ärger mit der Psyche...

Forum für alles, was in irgendeiner Weise mit Morbus Hodgkin zu tun hat. Dieses Forum soll in erster Linie aktuell Betroffenen helfen.

Für alles andere steht das "Plauder Forum" bereit.
Lydia
Beiträge: 17
Registriert: 08.12.2003 16:30
Wohnort: Wien

Immer Ärger mit der Psyche...

Beitragvon Lydia » 03.05.2005 14:10

Hallo,

Ich bin jetzt seit ca. 1,5 Jahren in Vollremission und mir geht es auch an für sich sehr gut. Nur hin und wieder verfall ich ohne irgendeinen Grund in Melancholie...so eine Art Weltschmerz und dann fang ich plötzlich zu weinen an (danach gehts mir dann wieder gut).....oder es gibt Phasen da denk ich wieder vermehrt an die Chemozeit...aber nicht speziell an die Therapie sondern mehr wie sch.... sich einige Ärzte und auch "Freunde" mir gegenüber verhalten haben und denen sag ich dann ( in meiner Phantasie) gehörig die Meinung :wink:

In letzter Zeit hab ich das öfters und immer häufiger stell ich mir die Frage ob ich denn diese Zeit schon verarbeitet habe....
Vielleicht sollt ich ja mal nen Therapeuten diesbezüglich konsultieren....aber irgendwie will ich nicht....

Wie denn auch sei...habt Ihr auch manchmal das Gefühl MH ist wie ein Rucksack...mal spürt man ihn gar nicht und dann wieder ist er so schwer daß man kaum weitergehen kann?

Mich würd halt interessieren ob ihr das gleiche empfindet oder ob ich mich wirklich in prof. Hilfe begeben soll :wink:
Lg Lydia

bim
Beiträge: 41
Registriert: 01.01.2005 11:38
Wohnort: Wien 21

Beitragvon bim » 03.05.2005 15:13

Ich hab grad erst meine erste Nachsorge hinter mir. Aber ich kann dich sehr gut verstehen.
Je mehr mich das "normale" Leben wieder hat, desto weniger muß ich über MH grübeln. Aber in ruhigen Minuten kommen mir auch schon mal die Tränen.

Und heute besonders. Jetzt bin ich grad erst wieder im richtigen Leben zurück, da muß ich heute hören, dass ein ganz lieber Kollege (er hat den Schreibtisch gleich neben mir) heute erfahren hat, dass er Darmkrebs hat. Er hat seine vor ca. 10 Jahren seine Frau verloren, ist aber wieder in festen Händen, hat 2 pubertierende Kinder,...

So schnell wieder mit Krebs zu tun zu haben, auch wenn ich diesmal nicht selbst betroffen bin, macht mir schwer zu schaffen. Viel schwerer, als ich es erwartet hätte. :cry:

Ich drück ihm ganz fest die Daumen, ich hoffe er hat so viel Glück wir!!!

lg
Birgit
Das Leben kann so beschissen sein .....aber nur, wenn man es lässt!! :lol:

Benutzeravatar
Sali22
Beiträge: 93
Registriert: 14.12.2004 16:30
Wohnort: Wien

Beitragvon Sali22 » 03.05.2005 22:28

Hey Lydia...


...das mit der Psyche kenn ich nur zu gut...
Bin zwar noch kein Ex-Hodgkie(in einem Monat aber) , weiß aber was du meinst und was in dir vorgeht...

Ich hab mich in letzter Zeit auch einige Male dabei erwischt ,daß mir in ruhigen Momenten die Tränen gekommen sind....
...zb) wie du schon erwähnt hast ;..in Bezug auf Menschen, Freunde ,Ärzte und Leben

Anfangs wusste ich ganz und gar nicht wie ich damit zurecht kommen sollte, ganz besonders weil ich vor meiner Erkrankung nie wirklich Gefühle an mich rangelassen habe....


...in letzter Zeit habe ich oft Momente , in denen ich gefühlsmäßig sehr tief falle....
Komme zwar immer wieder aus der Grube raus , doch langsam geht mir doch die Kraft aus...

Ich fühle mich von den meisten unverstanden und bin sehr stark von meinen Freunden entäuscht......
Ich schätze ,daß du solche Situationen schon kennengelernt hast,,...

Du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr mir mein altes Leben abgeht.... ;-)


Das mit der psychologischen Betreuung habe ich immer mit skeptischen Augen betrachtet,....ein Psychologe kann dir vielleicht zuhören ,...jedoch wird er dich nie in Bezug auf deine Erkrankung zur Gänze verstehen....

Vielleicht täte unser-einer eine Hodgkin -Selbsthilfegruppe gut,....

Kopf hoch ,...und versuche deine Psyche in Einklang zu bringen....
Sali
...es trifft immer nur die anderen,
oder dich selbst....

Benutzeravatar
Rodi
Beiträge: 162
Registriert: 07.03.2005 15:39
Wohnort: Münster

Beitragvon Rodi » 04.05.2005 10:15

Hallo Lydia,

auch ich kann Dich sehr gut verstehen, ich bin zwar nicht selbst betroffen, aber da mein Partner die Krankheit hat (ist gerade mit der Chemo durch) wirkt sich das genauso stark auch auf mein Leben und die Zukunft aus.

Und natrülich haben auch wir Erfahrungen gemacht in Bezug auf Freunde, Ärzte, Verwandte, die in vielen Fällen nicht gerade erfreulich waren/sind. Da fragt man sich dann schon manchmal, ob man in soner schweren Zeit auch noch solche Erfahrungen braucht, wo man doch schon alle Kraft gegen die Krankheit aufwendet. Man ist einfach enttäuscht und ziemlich traurig.

Ehrlich gesagt weiß ich auch noch nicht, welche Gefühle, Ängste und Sorgen nach der akuten Therapie bleiben, sicher wird es weniger bzw. es tritt irgendwie in den Hintergrund, aber es wird sicher Momente geben, in denen das ganz plötzlich wieder sehr präsent sein wird (spätestens vor Nachsorgeterminen). Insofern kann ich Deine Beschreibung mit dem Rucksack schon sehr gut nachvollziehen. Aus eigener Erfahrung kenne ich das von meinem Diabetes, der zwar nicht lebensbedrohlich und auch sehr gut handhabbar ist, aber dennoch unheilbar und es gibt mögliche Spätschäden, vor denen man sich fürchtet (trotzdem wird es der eine oder andere vielleicht als unangemessenen Vergleich empfinden). Aber man wird mit der Zeit gelassener (habs jetzt seit 11 Jahren und mir gehts dabei sehr gut) und die Ängste werden weniger, wobei man da sagen muss, dass es auch an sehr guten Ärzten liegt, die einem sehr viel Mut machen und Eigenständigkeit fordern.

Also ich hoffe, dass es mit der Zeit weniger wird und dass man auch eine andere Sicht auf die Krankheit bekommt und weniger mit dem Schicksal hadert als dass man seine Zeit wirklich aktiv nutzt.

Und ich denke auch, dass es nicht schlimm ist, wenn man in einer solchen Extremsituation fremde (psychologische) Hilfe annimmt, auch wenn wir ein bisschen darauf getrimmt sind, alles allein zu verarbeiten. Und dass das öfter mal hochkommt, zeigt ja auch, dass Du noch daran arbeitest und wer weiß schon, ob Verdrängung die bessere Methode ist? Ich glaube nicht, aber da ist sicher jeder verschieden.

Ich wünsche Dir jedenfalls, dass es immer mehr Zeiten gibt, in denen Du den Rucksack nicht spüren wirst und wenn er sich bemerkbar macht, dass man sich dann auf die Schulter klopft und sagt, wie stark und tapfer man das durchgestanden hat, ich finde die Leistungen im Kampf gegen diese Krankheit von allen hier ganz toll, v.a., dass sich keiner den Spaß am Leben abnehmen lassen will! :lol:

Dir alles Gute
Bianca
Diagnose meines Mannes:
Diagnose (Januar 05): MH IIb mit RF (>3 Areale und hohe BSG), HD 14 Arm A (4 Zyklen ABVD), 30 Gy, beendet 08/05, 3. Nachsorge am 01.09.06:alles o.k.!

Benutzeravatar
Jason
Beiträge: 1296
Registriert: 20.09.2004 12:28
Wohnort: Kappeln

Beitragvon Jason » 04.05.2005 12:16

Hej Lydia

Professionelle Hilfe? Warum nicht!
Patentrezepte kann man da schlecht geben, ist halt jeder anders veranlagt. Aber wenn ich dauerhaft Zahnschmerzen habe, gehe ich ja auch zum Zahnarzt. Ich könnte zwar selber mit der Rohrzange dabei gehen, dann wäre ich hinterher der tarzanmässig-harte Kerl. Aber obs mir dabei dann besser gehen würde?

Es liest auch so, als hättest Du weniger Schwierigkeiten mit dem Ex-Krankheit sondern eher mit den Reaktionen deines Umfeldes auf Dich als (gewesene) Kranke. Und für die Art von Konflikten haben Psychologen halt Lösungsmöglichkeiten, auf die man als "Normalbürger" halt nicht mal eben von selbst kommt (deshalb muss man dafür auch an die Uni :D ). Und bevor es Deine Lebensqualität ernsthaft beeinträchtigt (wobei natürlich die Definition von"ernsthaft" von Person zu Person verschieden ist) oder es sich womöglich noch zu ner Depression auswächst: Professionelle Hilfe ist ja nun nichts ehrenrühriges. Und die Zeiten, wo man beim Psychologen auf der Kautsch lag und von Mutti erzählen musste sind ja nun auch vorbei.

Ausserdem ist Wien doch berühmt für seine Fachkräfte auf dem Psycho-Sektor. :D

Ach ja, @ Sali: Mit "Verständnis" hat das eher wenig zu tun. Psychologen sind keine Rat&Trostspender. Die therapieren. Wenn Du mit 'ner dicken dicken Backe zum Dentisten kommst, hilft Verständnis dir ja auch nicht gross weiter. Da ist eher der Bohrer gefragt...
Ich persönlich hätte jedenfalls weniger Angst vor 'nem Termin beim Psychologen als vor einem beim Zahnarzt.

Jason
IIa/IIIa, Diagnose 06.2004, 8 X BEACOPP esk. 08.2004-03.2005, Remission 04.2005
MH 2004
Rezidiv 08.2012, 2 x R-DHAP, anschl. Hochdosis & Stamzelltransplantation
MH 2012

R-DHAP - Blog

''Move ahead
And your ass will follow...''
FSK

Benutzeravatar
sassi
Beiträge: 4464
Registriert: 07.10.2004 20:10
Wohnort: österr./stmk
Kontaktdaten:

Beitragvon sassi » 04.05.2005 12:34

hallo ihr

das mit der psyche und krebs kennt hier sicher jeder.

ich persönlich war megaenttäuscht von meinen "freunden".
ich hab in der letzten zeit auch gemerkt, dass ich mich unbewusst auch nach der chemo von diesen leuten, die sich "freunde" nannten immer mehr distanzierte.
denn nach dem ich wieder gesund war und lustig und positiv :D kamen diese freunde plötzlich wieder aus ihrem versteck und erzählten mir, wie sehr traurig sie die ganze zeit wegen mir waren :shock: :?
tja.......

ich habe bemerkt, dass ich mich sehr verändert habe durch die krankheit und diese "freunde" hatten plötzlich einen andren menschen vor sich. einen menschen mit dem sie offensichtlich genausowenig wirklich zurechtkamen wie ich mit ihnen.

ich hab ja nun doch schon einige jährchen alles hinter mir. aber ich glaube man verändert sich-vor allem gewisse einstellungen und ansichten. deswegen wird man mehr oder weniger nie wirklich alles verarbeitet haben. ich versuch auch gar nicht irgendwas zu verdrängen. wozu auch? diese zeit gehört zu meinem leben ,auch wenn es schmerzliche erinnerungen gibt, die einen immer wieder bewusst werden.

für mich gab es auch viele positive sachen während dieser zeit, an die ich mich auch gerne erinnere und die mich zu einem positiveren menschen gemacht haben. dafür bin ich sehr dankbar und ich hoffe ihr findet auch einen weg, mit allem gut fertig zu werden.

@sali
wegen selbsthilfegruppe gründen - ich sehe das eigentlich so, dass dieses forum ja eigentlich eine selbsthilfegruppe ist.

LG sassi
Diagn.7/99:MH 4b,BEACOPP,.Bestrahlung, 2010-Brustkrebs

http://forum.hodgkin-info.de/viewtopic.php?p=9147#9147

SASSIS HP

David
Beiträge: 5
Registriert: 02.05.2005 23:12

Beitragvon David » 04.05.2005 23:37

Als ich die Diagnose Hodgkin erfahren habe,wusste nur meine Familie was davon,meine Freunde habe ich davon nichts erzählt.

Ich hatte kein bock auf blöde Reaktionen und Gespräche hinter meiner Rücken.
Meine Kumpels haben sich nur gewundert,das ich eine Glatze bekommen hatte und meine Haut sich starkt verfärbt hat.Ich hab denen erzählt ich hab ein Gallenstein und der lässt sich nicht raus operieren,ich muss Medikamente nehmen.Das sind halt die Nebenwirkung.

Heute bereue ich meine Entscheidung nicht.Meine Cousine hatte Mammakarzinom und als ihre Freundin und Bekannte es erfahren haben,war nur blöde und unsachliche lästereri Tagesgeschäft.Das muss nicht sein

Benutzeravatar
Kirlew
Beiträge: 367
Registriert: 12.10.2004 18:36
Wohnort: Braunschweig

Beitragvon Kirlew » 05.05.2005 10:14

Hallo Lydia!

Ich kann Jason nur zustimmen - zu einem Psychologen zu gehen, wenn man denkt es hilft, ist sicher nicht schlimm. Irgendwie hängt einem Psychologen ja immer noch der negative Touch an, man währe verrückt wenn man da hin geht. Ich seh das aber anders. Ein Psychologe ist einfach eine Person die Zuhören kann, bei der man alles loswerden kann was man sonst nicht los wird und der einen mit gezielten Fragen wieder auf den richtigen Weg bringen kann oder auf das eigentliche Problem stößt.
Mein Freund war während seiner Behandlung auch dreimal bei einer Psychologin, merkte aber, dass es ihm in dem Moment nicht viel gebracht hat. Er ist aber am Überlegen, ob er wieder eine besucht, da auch ihn gerade Stimmungsschwankungen plagen. Und klar kann er mit mir, seinen Eltern, seinen Freunden reden und wir versuchen zu helfen, aber irgendwie nimmt man doch mit seinen Aussagen immer Rücksicht auf seine Mitmenschen. Bei einem Psychologen muss man das nicht, das kann glaube ich sehr befreiend sein.

Liebe Grüße und alles Gute
Kirsten
Angaben zu meinem Freund:
Krankenhaus: 5.Juli 04 -> Diagnose: MH IIb (18,4 cm hinterm Brustbein) -> Therapie (nach HD15): 6x BEACOPP esk. beendet -> PET am 29.11. -> Ergebnis: kein aktives Gewebe -> 3.Nachsorge am 09.01. -> alles sieht gut aus :-)

Dagmar
Beiträge: 15
Registriert: 17.04.2004 23:53
Wohnort: Nordost

Beitragvon Dagmar » 16.05.2005 22:59

Liebe Lydia,

ich bin seit 2 Jahren in Vollremission. Die Phasen der plötzlichen Traurigkeit kenne ich sehr gut. Auch eine recht heftige innere Wut auf Ärzte und Menschen, die sich irgendwie ziemlich unsensibel verhalten haben. Eigentlich ist Mr. Hodgkin bei mir gar nicht mehr präsent, deshalb schaue ich auch nur sporadisch hier ins Forum. Andererseits hat mich während dieser Krankheit Vieles abseits von Nadeln und OPs verletzt. :?

Damit so richtig auseinandergesetzt habe ich mich das erstemal in diesem Frühjahr. Ich glaube, gerade diese Krankheit hat sehr viel mit dem Thema "Liebe" zu tun, auch mit der Selbstliebe. Klingt jetzt vielleicht so esoterisch, aber ich meine, es ist meine eigenen Abwehr, die sich gegen mich gerichtet hat. Das hat mir zu Denken gegeben.

Ich weiß, das ich meine eigenen Bedürfnisse jahrelang sehr stark vernachlässigt habe, wie dann in der Klinik mit mir umgegangen wurde, hat das nochmal zementiert. Klar, die Leute waren ganz nett, aber trotzdem kam ich mir vor wie eine Nummer, wie ein Teilchen, dass durch eine Maschinerie geschleust wird. Das macht mir heute noch zu schaffen.

Ich war irgendwie gar nicht mehr ich selbst, alles ausser Kontrolle und ich musste mich diesen wildfremden Menschen anvertrauen, die meinen Körper traktierten. So betrachtet war das doch ein ziemlicher Horrortrip und es ist kein Wunder, wenn es einen ab und zu einholt, oder?

Eine weise Frau hat mir letztes Jahr gesagt: wenn ich die Ursache für die Krankheit nicht finde, kann die Krankheit wiederkommen. Hm. Muss was dran sein.... :roll:

Liebe Grüße
Dagmar
Carpe diem - nutze den Tag.

Benutzeravatar
Nicole W
Beiträge: 61
Registriert: 15.01.2004 23:43
Wohnort: 72461 Albstadt

Beitragvon Nicole W » 18.05.2005 11:23

Hallo Lydia,

ich verstehe dich nur allzu gut. In letzter Zeit denke ich so oft über
alles nach. und könnte heulen. Besonders wenn ich nichts zu tun habe.
Dann grüble ich nach. Vielleicht ist darum mein Terminplan so voll.
Jeden Tag nach der Arbeit hatte ich was anderes vor. Aber wenn ich mir
mal nichts vornehme, dann fehlt mir der Schwung.

Dann kann ich Samstag mittag auf dem Sofa sitzen und den Putzeimer
anschauen aber bin nicht fähig aufzustehen. Dann grüble ich nach.

Manchmal denke ich an die Zeit der Chemo zurück und denke
war das wirklich ich.....

Dann denke ich auch über einen Psychologen nach..
Liebe Grüßle Nicole
__________________________

8xBEACOPP (2Wochen Zyklen)
+30Gy
2003 von Mai bis November


Zurück zu „Morbus Hodgkin“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 32 Gäste