ich grüß euch einfach mal so herzlich, denn ihr seid mir alle schon ein bisschen ans Herz gewachsen in den letzten Wochen und Monaten, in denen ich hier schon fleißig mitlese und mir schon so einiges an Informationen geholt habe.
Bevor ich „mitredd“ (wie man mundartlich hier so sagt), wollte ich mich euch aber auch mal vorstellen. Mein Name ist Jutta und ich komme aus Mannheim (gebürtig bin ich zwar ein (vegetarischer) Hamburger, aber ich habe Mannheim vor 5 Jahren als mein neues Zuhause adoptiert). Ich bin vor knapp einem Monat 30 geworden.
Wie alles anfing:
Angefangen hat eigentlich alles im Februar 2008. Ich war erst kurz vorher aus Amsterdam (hatte da 9 Monate gearbeitet) wieder nach Mannheim gezogen, um dort Anfang Februar eine neue Stelle anzutreten. Etwa eine oder zwei Wochen später, genau erinnere ich mich nicht mehr, bekam ich plötzlich wahnsinnige Schmerzen in den Waden, was sich aber anfühlte wie ein Muskelkater. Also hab ich mir nichts dabei gedacht. Das komische war nur, dass ich gar keinen Sport oder sonstige Verrenkungen gemacht hatte, die diesen Muskelkater verursacht haben könnten. Meine Erklärung war daher, dass ich in Amsterdam täglich 30 km Rad gefahren bin (was auch sonst

Na ja. Dann ging es langsam wieder weg und froh war die Jutta. Dann kam Ende April, es wurde warm und plötzlich taten mir die Waden wieder weh. Diesmal aber war es kein „Muskelkater“ sondern dicke, geschwollene Beine und äußerst schmerzhaft. Ich dachte natürlich „jetzt gehste auf die 30 zu, jetzt kriegste Thrombosen und Krampfadern!“ Jedenfalls waren die Schwellungen auch morgens schon da, trotz nächtlichen Hochlegens, und wurden im Laufe des Tages immer schlimmer. Meine Beine fühlten sich so aufgeblasen an, dass ich dachte, ich fliege gleich mit den Füßen voran an die Decke. Ich bin dann nach ner Woche ungefähr (endlich!) zum Arzt gegangen – eigentlich auf Druck meiner Kollegen, die sich schon richtig Sorgen machten. (Ich machte mir nämlich keine…)
Der Arzt konnte meine Schwellungen an den Beinen, vor allem am Schienbein hatte ich eine deutliche Verhärtung, deutlich erkennen und machte gleich diverse Bluttests. Das fand ich schon mal gut, denn ich hatte schon gedacht „ach, da kommt doch eh wieder nichts dabei heraus“. Außerdem zeigte ich ihm einen Lymphknoten am Schlüsselbein, der schon einige Wochen da war, aber nicht schmerzte, und den ich auch schon 1 Monat zuvor meiner Frauenärztin gezeigt hatte. Den hat er auch gleich geschallt und gemessen. Der Durchmesser war ca. 2 cm, außerdem meinte der Arzt, dass da mindestens 3 Lymphknoten an derselben Stelle lägen. Ich hab mir nichts gedacht. Der Arzt aber schon, denn er rief mich am nächsten Tag gleich an und sagte, dass meine Entzündungswerte extrem erhöht wären und ich nochmal kommen müsse. Er hat mich dann zur Abklärung, was das in den Beinen ist, erstmal zum Venenarzt geschickt. Der konnte mir aber versichern, dass meine Venen absolut in Ordnung seien und keine Thrombosegefahr bestehe. Da hab ich mich wahnsinnig gefreut! Dann schickte mein Hausarzt mich zum Lungenröntgen. Das hab ich zwar überhaupt nicht verstanden, vor allem, was das mit meinen zum Platzen gespannten Beinen zu tun haben soll, aber richtig nachgefragt hab ich auch nicht. Im Nachhinein weiß ich natürlich, dass mein Hausarzt bei den Lymphknoten 1 und 1 zusammen gezählt hat... Der Lungenarzt sagte mir denn auch, dass es nicht so gut aussähe, dass da ein Schatten über der Lunge läge und dass in jedem Fall ein CT gemacht werden müsse. Na gut, dachte ich, machen wir das auch noch. Dann wurde ich noch zum Orthopäden geschickt, der in meinen Waden ebenfalls Lyphknoten vermutete und ein MRT von den Waden anordnete. Lungen-CT und MRT wurden am gleichen Tag gemacht. Die Radiologin war sagen wir mal sozial ein wenig inkompetent, denn sie knallte mir die Diagnose „das sieht für mich eindeutig nach einem Hodgkin aus“ einfach so vor den Latz. Hodgkin war mir aus irgendeinem Grund schon ein Begriff, ich wusste, dass das Krebs bedeutete. Zum MRT sagte sie: „Ich habe soetwas noch nie gesehen.“ Dann ein bisschen Radiologengeschwafel von wegen Kontrastmittelaufnahme, aber das hab ich kaum verstanden. Jedenfalls kam sie in ihrem Arztbrief zu dem Schluss, dass es sich bei den Unterschenkeln um Infiltrate des Hodgkin handeln könnte und sie eine histologische Sicherung empfehlen würde. Ich bin trotzdem ruhig geblieben. Ich erinnere mich noch, dass ich mit den Bildern und den Arztbriefen unterm Arm im strömenden Regen nach Hause gegangen bin und von unterwegs meinen Mann angerufen habe „ich habe vielleicht Krebs“. Das fand alles eine Woche nachdem ich zu meinem Hausarzt gegangen war statt. Eine Woche später war ich schon im Krankenhaus, um meinen Lyphknoten am Schlüsselbein entfernt zu bekommen. Ich muss sagen, dass ich v.a. meinem Hausarzt sehr dankbar bin, dass er so schnell geschaltet hat und die nötigen Untersuchungen immer sofort eingeleitet hat. Als Kassenpatientin kann ich also in meinem Fall bisher nichts von einer Zweiklassenmedizin feststellen und das beruhigt mich schon sehr.
Soweit zur Vorgeschichte. Der histologische Befund meines Lymphknoten ergab eindeutig Morbus Hodgkin vom nodulär-sklerosieren Typ. Nach den ganzen Untersuchungen, ihr kennt das ja, ergab sich ein vorläufiges Stadium II a. Vorläufig deshalb, weil immer noch nicht klar war, was denn nun eigentlich in meinen Unterschenkeln los war. Das Geheimnis wurde schließlich bei einer CT-gestützten Wadenpunktion gelüftet: ich hatte eine Myositis, sprich eine Muskelentzündung, und zwar laut Befund „im Sinne eines paraneoplastischen Symdroms“. Auf deutsch heißt das, dass die Muskelentzündung eine Begleiterscheinung des Hodkin ist. Begleiterscheinungen des Hodgkin gibt es wohl ab und zu mal, aber bei meiner Wadenmuskelgeschichte waren die Ärzte zunächst alle ziemlich ratlos. Mein Oberarzt meinte, bisher seien nur 15 ähnliche Fälle in der Literatur dokumentiert und meine Ärztin musste gleich einen Vortrag über mich halten. (Jetzt bin ich berühmt

Also, Stadium II a, keine Infiltrate in den Waden. Ich bin auch in der Kölner Studie und bekomme 2 Mal BEAKOPP esk. und 2 Mal ABVD. Dass mich bei der Randomisierung BEAKOPP getroffen hat, fand ich zunächst übrigens ziemlich schlimm, weil ich mir Sorgen um meine Fruchtbarkeit machte, die bei BEAKOPP ja bekanntlich stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Eigentlich war mir klar, dass ich gerne an der Studie teilnehmen wollte, aber ich hätte halt lieber ABVD bekommen. Schade, dass man sich den Arm der Studie nicht aussuchen kann… Ich hatte zuvor schon beim Koordinator von Fertiprotekt http://fertiprotekt.de in Heidelberg eine dieser Spritzen bekommen, mit denen die Eierstöcke „schlafen gelegt“ werden. Nach einem erneuten Gespräch mit ihm, in dem er mir sagte, dass 2 Zyklen BEAKOPP statistisch gesehen das Risiko einer Unfruchtbarkeit zwar ein wenig erhöhten, ich ja altersmäßig aber noch nicht zu den Risikipatienten gehöre und schön meine Eierstöcke schlafen lasse, hab ich mich dann ein wenig schweren Herzens doch zur Studie und damit BEAKOPP entschlossen. Ich hoffe hoffe hoffe, dass alles gut geht.
Die zwei Zyklen BEAKOPP habe ich gerade hinter mir, bzw. morgen nehme ich die letzten Decortin


Jetzt hab ich aber erstmal ne Woche Chemopause und meine Eltern kommen mich aus Hamburg besuchen

Ups, das ist mal wieder lang und sehr ausführlich geworden. Sorry dafür, wenn ich erstmal loslege… Wer will kann ja die Kurzform in der Sigantur lesen

Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal.
Jutta