Wie läuft eine Rezidiv-/Hochdosis-Therapie ab

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frühling06
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Wie läuft eine Rezidiv-/Hochdosis-Therapie ab

Beitragvon frühling06 » 11.07.2007 15:13

Hallo!
Da ich gefragt wurde, wie eine Rezidiv-Therapie abläuft, hier eine Darstellung:

Erst mal der formale Aufbau:
http://www.medizin.uni-koeln.de/klinike ... 200706.pdf

http://www.lymphome.de/Gruppen/GHSG/Pro ... wchart.pdf

Der momentane Stand ist, dass Patienten anscheinend von dem langen Arm mit der sequentiellen Hochdosistherapie NICHT profitieren. Daher wird dieser vermutlich für "normale" Rezidive nicht angewandt werden, wohl aber für Früh-Progresse. D.h. die Rezidiv-Therapie sieht dann so aus:
2 x DHAP (jew. ca. 3 Wochen)
BEAM (Hochdosistherapie) (3-5 Wochen)
ggf. Bestrahlung bei positiver Pet. (3 Wochen)
Mit 1-2 Unterbrechungen wg. Infekten muss man rechnen, vor der BEstrahlung sind auf jeden Fall 2-3 Wochen Pause.

Bei mir lief es aber anders, da sie sagten, dass bei einem so frühen und schnellen Progress (innerhalb 2 Monaten von 2 auf 7,5 cm) von einer sehr aggressiven Tumorbiologie ausgegangen werden muss - sprich: Haun wir alles drauf, was geht. Daher lief es bei mir so:
Staging (CT)
Port legen (oder ZVK Zentraler Venenkatheter)
2 x DHAP
Staging (CT & PET)
1 x Etoposid, Hochdosiert (sog. sequentielle HD)
1 x Cyclophosphamid, Hochdosiert (sog. sequentielle HD)
Staging (CT & PET)
BEAM
Staging (CT & PET) (weil ich unbedingt wollte)
Bestrahlung
Staging (CT & PET)
MTX wurde weggelassen, da wohl bei MH nicht so erfolgsversprechend. Retuximab (Antikörper) wird zusätzlich gegeben, wenn der Tumor die entsprechenden Oberflächenmerkmale hat (bei mir nicht)

Alles wurde stationär durchgeführt, allerdings ging es mir so gut, dass ich bei jeder Gelegenheit das Krankenhaus verlassen habe, sprich, ich war nachmittags nie da.

Wie ist DHAP?
Es ist wieder das Muster Chemo plus Kortison. Der Wirkstoff ist Cisplatin. Die Infusion läuft 24 Stunden an Tag 1, an den nächsten 2 Tagen gibt es jew. 2 Infusionen a 4 Stunden Alaxan. Die Nebenwirkungen sind: Wunder Mund, stark nierentoxisch (man kriegt ohne Ende Wasser = ständig aufs Klo), Hörschädigung (auch irreversibel), daher sollte VOR der Therapie ein Hortest gemacht werden, falls sich das auf die Berufsfähigkeit auswirkt. Da bei mir nach dem ersten Zyklus starke Hörprobleme auftraten hat man sich entschieden, auf Carboplatin umzusteigen, welches von der Wirkung identisch ist, aber insgesamt weniger toxisch – das war eine echte Wohltat … Warum man das nicht gleich nimmt? Ist teurer!! (Könnte ich schon wieder ausflippen, wenn ich drüber nachdenke)

Wie läuft das mit den Stammzellen?
Bei mir wurde nach den 2 Zyklen DHAP die "Apherese" durchgeführt, der Zeitpunkt kann aber variieren. Wenn mein Knochenmark befallen gewesen wäre, hätte man sie erst später, z.B. nach Eto gemacht, um das Risiko zu vermindern, dass Krebszellen im Blut herumgeistern, die dann mit in den Beutel gelangen.
Konkret bekommt man nach dem Chemo Zyklus die doppelte Dosis von G-CSF (Neupogen oder so), dadurch vermehren sich die Stammzellen im Knochenmark dann so heftig, dass sie irgendwann im Blut herumschwimmen. Es wird dann jeden Tag gemessen, wie viele Stammzellen unterwegs sind und wenn genügend da sind gehts los. Wenn man (anders als ich) gute Venen hat, ist der eigentliche Vorgang ziemlich undramatisch. Man bekommt in jeden Arm eine (ziemlich fette) Vigo und dann wird aus dem einen Arm Blut abgezapft, das läuft durch den "REinigungsapparat" und in den anderen Arm geht es wieder rein. Je nachdem, wie viele Stammzellen rumschwimmen, kann es sein, dass dieser Vorgang bis zu 3 mal wiederholt werden muss mit jew. 3 Stunden. Ich war allerdings nach einer BEhandlung von 2 Stunden fertig. Dafür hat man mich aber 8 mal gestochen und schließlich eine abenteuerliche Konstruktion aus Port und Zugang in die Halsvene gebastelt - die mich zu 2 Stunden komplette Regungslosigkeit verdonnerte. Andere bekommen einen ZVK, das wollte ich aber unbedingt vermeiden. Anschließend wird gezählt, man braucht mindestens 4 Mio Stammzellen für die Transplantation.

Wie geht die Hochdosis (BEAM) & autologe Transplantation vor sich?
In Köln wird das auf einer geschlossenen Station gemacht, in anderen Kliniken läuft das auch auf der normalen Station (was Studien zufolge auch völlig o.K. ist). Man bekommt über 4 Tage Medikamente, eigentlich alles alte Bekannte, Etoposid, Cytarabine, Melphalan, nur halt höher dosiert. Dann sind 1-2 Tage Pause und man bekommt seine eigenen Stammzellen verabreicht. Das läuft so, dass die auf eine Riesen-Spritze aufgezogen werden und dann bekommt man sie "mit Schwung". Das man Tomatengeschmack im Mund hat ist ja bekannt, Kaugummi hilft, ist aber trotzdem ekelig. Das Ganze dauert aber keine 10 Minuten, es kann einem etwas übel werden. Die Tage werden dann ab der Stammzellenrückgabe gezählt. Ca. Tag 2 - 4 ist man in Aplasie, kaputter Mund dann ab ca. Tag 4, daneben muss man mit Bauchschmerzen, Durchfall, Fieber rechnen. Fast alle bekommen irgendwann einen Infekt. Fast alle werden ein paar Tage künstlich ernährt. Ab Tag 8 steigen dann aber die Blutwerte schon an und ca. Tag 10 geht es dem Mund schon viel besser. Raus aus der Aplasie kann man ca. ab Tag 12 sein. Wenn man ohne größere Infekte auskommt und selbst essen kann, dann ist es also möglich, nach insgesamt 3 Wochen fertig zu sein mit allem. Die meisten müssen aber länger bleiben, weil sie noch nicht wieder essen können oder noch einen Infekt haben. Meine Empfehlung: Versuchen, immer wenigstens ein bisschen zu essen (dann regeneriert sich die eigene Verdauung viel schneller), brav das ganze Mundhygiene-Programm (neben Ampho gibt’s Betaisodona und noch ein anderes Zeug) absolvieren, den ganzen Tag Kamillentee trinken, schon bevor die Schmerzen einsetzen nur ganz vorsichtig mit superweicher Zahnbürste im Mund fuhrwerken – Stellen, die man sich jetzt reißt, heilen nicht mehr.

Welche Nebenwirkungen?
Neben den beschriebenen (hauptsächlich nervig: der Mund, der auch schon unter DHAP leidet): Man verliert wieder sein Haar, einige schon gleich im ersten DHAP-Zyklus, andere (wie ich) erst später. Ansonsten fand ich es von der körperlichen Verfassung nicht anders als unter BEACOPP. Allerdings ist man schon länger und tiefer in Aplasie, daher macht es wohl Sinn, dass das Ganze stationär läuft (auch wenn ich mich dagegen gewehrt hab). Ich hatte auch öfter mal Fieber, als in der Ersttherapie. Mit Übelkeit hatte ich keine größeren Probleme, als bei der Ersttherapie, hab auch weiterhin auf "mein" Emend bestanden, nur vom Mesna (hatte ich glaub ich beim Eto bekommen als Gegenmittel gegen Blasentoxität) wurde mir schlecht.

Wie lange dauert das Ganze?
Ich war insgesamt 5 Monate beschäftigt inklusive Strahlentherapie. Dazwischen hatte ich einmal eine Woche und einmal 2 Wochen Urlaub.

Tja, ich schätze, es meldet sich jetzt keiner freiwillig, oder :). Aber ich kann nur sagen: Man überlebt das auch! Wichtig war für mich, viel raus zu kommen aus der Klinik.

Bei Fragen: Immer gern!
Herzlichen Gruß
frühling06
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MH II B E 3 x RF (12.04.06), AK St. Georg HH, HD15, 8xBEACOPP esk. 18.04.-26.09.06, Bestrahlung 27.11.-19.12.,
Progress (25.01.07), UK Köln, HDR-2 (Arm B) inkl. autologer Transpl. 02.02.-14.05., Bestrahlung 05.06.-03.07.
Progress (17.07.07), IGEV 25.07.-10.09., allogene TP 01.-29.10., 08.10.08: Mein 1. Geburtstag und immer noch Hodgkin-frei :) **************
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Anni
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Beitragvon Anni » 11.07.2007 16:54

Danke für deinen ausführlichen Bericht.
Es hat ja alles grossartig geklappt.

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sparklingmarc
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Beitragvon sparklingmarc » 11.07.2007 17:05

:shock: vielen Dank für den Bericht!

Ich finde das ziemlich beeindruckend, wie du das alles gemeistert hast... :hail:
Ahoi Marc

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Boa
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Beitragvon Boa » 11.07.2007 19:18

oh mann :shock: kannst echt stolz auf dich sein, hast des ja super durchgezogen :respekt:
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melle
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Beitragvon melle » 11.07.2007 21:25

dank dir

:?

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meli1303
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Beitragvon meli1303 » 11.07.2007 21:34

:respekt:

Wow, Du kannst stolz auf Dich sein.

Finde übrigens Dein Bild voll klasse.

Liebe Grüße,
Meli
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Mary
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Beitragvon Mary » 12.07.2007 11:50

einfach nur :respekt:
und alles gute für eine Zukunft!!!!

LG
Mary
Diagnose 10/06 Stadium IIb/ RF BSG
HD 14 Arm A 4 x ABVD
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frühling06
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Beitragvon frühling06 » 13.07.2007 00:02

Hallo!
Danke, danke für eure Antworten ... sehr lieb! Aber man merkt erst, wieviel Kraft man hat, wenn diese Kräfte auch notwendig werden ... und ich befürchte, ich werde sogar noch mehr Kraft benötigen .... aber dazu mehr in meinem anderen Beitrag ...
Danke nochmals
http://forum.hodgkin-info.de/viewtopic.php?t=2854

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grufte
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Beitragvon grufte » 14.07.2007 04:33

Ich wünsche Dir, dass Du soviel Kraft in Dir findest, wie es nötig sein wird und die Krankheit endgültig besiegen wirst. Ich denke, das wird einfach nur gerecht sein, nach dem ganzen, was Du durchmachen musstest. Das wirkt sehr emutigend, wie Du mit dem ganzen umgehst. Und bewundernswert. Ich druck Dir die Daumen so stark ich nur kann.

Ich hätte vielleicht noch ein paar ganz praktische Fragen, wenn Du mal Zeit dazu findest. Du bist vor Köln auch in Hamburg behandelt worden und warst, glaube ich, mit der Behandlung nicht gerade zufrieden gewesen.

Wer war Dein behandelder Arzt in HH?
Und vor allem, wo hast Du dich bestrahlen lassen?
Da ich höchst wahrscheinlich bald auch bestrahlt werde, möchte ich möglichst nicht in einer Praxis landen, wo die Kölner Vorgaben aus abrechnungstechnischen Gründen míßachtet werden.
März 2007: Diagnose MB IIb
HD14: 4xABVD (8 Infusionen) + evtl. Bestrahlung
Juli 2007: Zwischenstaging (CT) nach 5 Infusionen: "Deutlicher Befundregress im Vergleich zu März 2007"

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frühling06
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Beitragvon frühling06 » 14.07.2007 16:08

Hallo Grufte!
Ich wurde in Hamburg in St. Georg behandelt von Frau Dr. Stuhlmann. Es gab mehrere Gründe, warum ich mich für Köln entschieden hab:
1. Wußte ich, dass ein Frühprogress ziemlich schlechte Prognosen hat und wollte daher sicherstellen, dass ich die maximale Fachkompetenz und Erfahrung bekomme. St. Georg ist eine sehr renomierte Klinik, allerdings von der Patientenzahl doch klein und auch nicht speziell auf Lymphome ausgerichtet, die machen mehr Leukämie und meine Ärztin war auch Leukämieexpertin. Und sie sagte mir damals selbst: Solche Fälle wie Sie haben wir hier 1-2 x pro Jahr. In Köln haben sie die zu Dutzend, weil viele komplizierte Fälle dort landen und sie haben den Prof. Engert, der einer DER Experten weltweit ist
2. Wollte ich einen Neuanfang / Ortswechsel, ich hatte ein schlechtes Gefühl dabei zu sagen, "ach, hat nicht geklappt, na dann probiert's doch nochmal". Meine Ärztin und ich hatten aus meiner Sicht kein optimales Verhältnis. Sie ist sicherlich sehr kompetent und auch gewissenhaft, von der Persönlichkeit aber eher so eine Schroffe und ich mochte irgendwann schon gar nicht mehr fragen, weil ich das GEfühl hatte, ich geh ihr auf den Nerv. Ich hatte halt immer sehr viele Fragen :) Ich werfe ihr schon vor, dass sie meine Befürchtungen - ich hatte den Progress schon 2 Monate vorher "gespürt" - abgewiegelt hat. Ansonsten hat sie aber - aus heutiger Sicht - nichts wirklich falsch gemacht oder versäumt ... wie gesagt würde ich mich nur aus heutiger Sicht immer lieber an einer Uni-Klinik behandeln lassen, weil die den direkten und unkomplizierten Zugriff auf die neuesten TEchnologien haben - z.B. PET - und nicht in erster Linie wirtschaftliche Interessen verfolgen
3. Als ich in St. Georg ankündigte, mir eine 2te Meinung in Köln holen zu wollen, hat meine Ärztin darauf hin nicht mehr mit mir gesprochen. Das fand ich nun total unprofessionell
4. Die Hamburger Uniklinik, die auch eine Option gewesen wäre, hatte ich während meiner Erstdiagnose bereits "genossen" - das war zu den Streikzeiten und ich hatte den Eindruck, dass da nun totales Chaos herrscht ... außerdem haben die dort auch nicht wirklich die Lymphom-(und speziell Hodgkin)Freaks, keiner der das als sein Spezialgebiet hat, soweit ich weiß

Den Namen der Strahlenklinik schicke ich dir lieber per privater Nachricht, nicht dass ich irgendwann Stress mit den Jungs bekomme ... Leider kann ich für Hamburg nun keine Empfehlung aussprechen, weil ich beim zweiten Durchgang in Köln bestrahlt wurde ... vermutlich die Uniklinik.

Lieben Gruß und viel Glück mit allem!
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MH II B E 3 x RF (12.04.06), AK St. Georg HH, HD15, 8xBEACOPP esk. 18.04.-26.09.06, Bestrahlung 27.11.-19.12.,

Progress (25.01.07), UK Köln, HDR-2 (Arm B) inkl. autologer Transpl. 02.02.-14.05., Bestrahlung 05.06.-03.07.

Progress (17.07.07), IGEV 25.07.-10.09., allogene TP 01.-29.10., 08.10.08: Mein 1. Geburtstag und immer noch Hodgkin-frei :) **************

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