Polyneuropathie

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Alles wird gut
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Polyneuropathie

Beitragvon Alles wird gut » 10.11.2020 21:31

Hallo in die Runde! Hat jemand Erfahrung mit Polyneuropathie als Nachwirkung/ Folgeerkrankung nach der Behandlung? Mein Mann hat 2x ABVD + 20 Gy bekommen und hat seit Ende der Behandlung (Juli 2019) extrem starken Juckreiz. Die Polyneuropathie wurde gemessen und festgestellt. Er hat schon etliche Hammer-Medikamente verschrieben bekommen, aber es ist immer derselbe Ablauf: Medikament hilft eine Weile und dann kehrt der Juckreiz wieder zurück. :banghead:
Jetzt sagen Die Ärzte, man könne da nichts mehr einnehmen und vermuten psychische Ursachen, aber das glaube ich einfach nicht. Kennt das noch jemand oder war selbst betroffen? Ich würde mich über jede Antwort freuen. :huhu:

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maikom
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Re: Polyneuropathie

Beitragvon maikom » 11.11.2020 06:44

Polyneuropathien sind nicht ungewöhnlich als Folge der Behandlung. Man braucht schon viel Zeit, bis sich das dann wieder legt, teilweise hilft eine Ergotherapie das etwas zu lindern. Versucht ob euer Hausarzt euch so etwas verschreiben kann.

Ansonsten sollte man den psychosomatischen Teil der Behandlung nicht unter den Tisch fallen lassen.

Während der Behandlung ist man in einem Tunnel und was passiert ist, realisiert die Psyche erst nach dem die Behandlung abgeschlossen ist.
Morbus Hodgkin, ED 07/2012, 2A ohne RF,
HD 16, 2 Zyklen ABVD und Bestrahlung 20 Gy

Wissenswertes über Morbus Hodgkin
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barbatra
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Re: Polyneuropathie

Beitragvon barbatra » 11.11.2020 11:52

Hallo!

Ja, ich hatte auch schon während der Chemo und vor allem danach das "Vergnügen" ... wohl auch, weil das Risiko für eine PNP in Kombination mit Diabetes erhöht ist. Bei mir waren es während der Chemo die Finger (hat sich mittlerweile gebessert), danach erst die Füße (ist geblieben, im Sommer - mit viel barfuß gehen! - besser, jetzt wieder stärker), Kälteempfindlichkeit (Raynaud-Syndrom) und wohl auch eine Beteiligung des vegetativen Nervensystems (Herzklopfen beim Hinlegen und sonst auch immer wieder, Schweißausbrüche zu allen möglichen Gelegenheiten, .... einfach das Zusammenspiel von Sympathikus + Vagus nicht in Balance. Kann aber laut Neurologen niemand messen ....). Juckreiz zum Glück nicht, bei mir ist es mehr ein "bamstiges" Gefühl teilweise verbunden mit Kribbeln, so eine Mischung aus Zahnarzt-Spritze und Ameisen .... Und ja, Neuropathie nervt definitiv! und beeinträchtigt auch Feinmotorik + Gleichgewicht. Die gemessene Nerven-Leitfähigkeit hat sich übrigens nach ca 1 1/2 Jahren fast normalisiert, aber die Missempfindungen sind trotzdem noch da.

Medikamente hätte ich auch großzügig bekommen, wollte aber nicht - ich setze auf die Übungen aus der Ergotherapie (Bohnenbad, Igelbälle, Bürsten, Barfuß-Gehen auf verschiedenem Untergrund, ....) - also alle möglichen Arten der Stimulation, da wollte ich nicht die Reizleitung mit Medikamenten unterdrücken ... ich will ja mein Gefühl in Händen + Füßen erhalten + verbessern, nicht zusätzlich dämpfen.
Für das vegetative Nervensystem versuche ich (mit wechselnder Disziplin) Entspannungsübungen zu kultivieren - auch das hilft. Und arbeite auch mit Imagination / Autosuggestion - meine Psychotherapeutin hat mich auf diese Spur gebracht, Stichwort Psychoneuroimmunologie.

Insofern "natürlich" psychische Ursachen - das Hirn ist einfach die Neuropathie / den Juckreiz / das Kribbeln so gewohnt, dass es nur schwer wieder von dieser Spur abzubringen ist (so wie das bei starkem Schmerz passieren kann, der sich nach einiger Zeit selbständig macht). Also "psychische Ursachen" nicht gleich "Einbildung", sondern eher als andauernde Verfestigung eines tatsächlichen Geschehens über die Dauer hinaus. Und ja, Gedanken und Übungen können die Verbindungen zwischen den Hirnzellen beeinflussen (auf diesem Prinzip funktioniert ja auch z.B. die gesamte Reha nach einem Schlaganfall), das wurde schon mehrfach in Studien bestätigt.
Nachdem man aber aus so einer "Dauerschleife" alleine nur äußerst schwer wieder rauskommt (ich komm nicht aus meinem eigenen Hirn heraus ...), braucht es hier wohl Hilfe - sprich, Psychotherapie/Psychosomatik oder eben Psychoneuroimmunologie. Und Ergotherapie kann ich auch nur wärmstens empfehlen!
Was Maikom sagt:
Während der Behandlung ist man in einem Tunnel und was passiert ist, realisiert die Psyche erst nach dem die Behandlung abgeschlossen ist.
unterschreibe ich voll und ganz. Geduld ...

Euch alles Gute! Barbara
Hodgkin Mischtyp Stadium IIIB; Diagnose September 2018
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PET-CT Ende November 2018: mCR - große Erleichterung
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Re: Polyneuropathie

Beitragvon Alles wird gut » 12.11.2020 18:24

Liebe Maikom, liebe Barbara,
TAUSEND Dank für eure schnelle und ausführliche Rückmeldung. Ich weiß, der psychische Aspekt ist natürlich wichtig und mein Mann lässt sich auch helfen. Aber die Polyneuropathie macht uns einfach total mürbe. :banghead:
Darf ich fragen, welche Medikamente euch geholfen haben? Mein Mann hat schon Gabapentin, Amitripilyn und noch weitere bekommen. Wir fragen uns, warum die Medikamente erst geholfen haben und der Juckreiz dann nach paar Monaten immer wieder zurück kommt? :roll:
Danke für den Tipp zur Ergo. Da werde ich mich nochmal informieren.

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barbatra
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Re: Polyneuropathie

Beitragvon barbatra » 13.11.2020 09:47

Hi!
ich kann euch verstehen - PNP nervt und beeinträchtigt (vor allem beim einschlafen?). untertags funktionert ablenkung bis zu einem gewissen grad, in der nacht .... hmmmm....
medikamente hab ich persönlich abgelehnt, hätte natürlich auch gaba etc bekommen - nun, diese medikamente unterdrücken letztlich die reizleitung der nerven - sprich: die PNP ist noch da, aber man spürt halt weniger. so wie schmerzmittel bei zahnweh. sie haben in manchen akuten situationen (ich denke da an meine frühere trigeminus-neuralgie! oder auch manche epilepsie-formen) sicherlich ihre berechtigung .... vor allem, wenn die chemo noch läuft und weder energie noch reserven da sind, sich mit der PNP wirklich auseinander zu setzen. ich wollte halt meinen körper supergut spüren (auch wegen meinem diabetes - damals hab ich insulin gespritzt, und wollte keinen unterzucker "verschlafen") - und habe dann bewusst in kauf genommen, dass ich schlecht schlafe, irritiert bin, missempfindungen habe etc.

frage: ist der juckreiz ansonsten symptomlos oder sieht man auf der haut auch veränderungen? dann könnte ja auch ein allergisches geschehen mitmischen ... vielleicht könnt ihr die haut auch überlisten: einerseits für ausreichend feuchtigkeit sorgen (hautcreme mit Urea drin wurde mir während der chemo dringend angeraten), andererseits mit leber/galle-tee - die haut ist auch ein "ausscheidungsorgan", und manchmal wählt die leber beim entgiften diesen weg (das kennen frauen in den wechseljahren - üebrschüssige hormone werden mit schweißausbrüchen "entsorgt").

liebe grüße, alles gute!
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Re: Polyneuropathie

Beitragvon Alles wird gut » 15.11.2020 20:51

Hallo Barbara,
es ist wirklich genauso wie du sagst: tagsüber hilft Ablenkung ganz gut, aber vorm Schlafen kann man sich schlecht ablenken und da ist der Juckreiz besonders zu spüren. Wobei auch tagsüber natürlich, aber da hilft wirklich die Arbeit, Garten usw. als Ablenkung. Bei meinem Mann ist nichts auf der Haut zu sehen, er hat keine Allergie. Die PNP wurde damals durch Hautausstanzen in Münster festgestellt - die sind deutschlandweit auf Hauterkrankungen spezialisiert. Jetzt wurde die Dosis von Pregabalin erhöht und ich hoffe, dass es ihm hilft. Haben nun weitere Termine zur Abklärung gemacht, aber ich werde nochmal der Sache mit der Ergo nachgehen.
Ach ja und Tee haben wir schon probiert. Mein Mann hat extra eine Basenkur gemacht, hat aber leider nix gebracht.
Cremes helfen leider auch nicht, da dies ja ein neurologisches Problem ist. Allerdings hilft Menthol sehr gut und lässt den Juckreiz wenigstens für kurze Zeit verschwinden, da es die Haut extrem kühlt.
Vielen Dank für deine Offene Rückmeldung dazu. :blumen: Ich finde nämlich kaum jemanden, der das kennt und man fühlt sich damit irgendwie total alleine. Diese Nachwirkungen scheinen wohl nur wenige zu haben, was für alle wirklich ein Segen ist.

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barbatra
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Re: Polyneuropathie

Beitragvon barbatra » 17.11.2020 18:45

Hi!
also - wenn Menthol hilft und die Haut kühlt, dann sind ja manche Nerven (die für Hitze/Kälte zuständigen) doch noch funktionsfähig. Wie ist es mit denen für Schmerz? Und dem Tastempfinden? Die Haut ist ja auch ein Sinnesorgan.
Hier wäre es wohl spannend, genauer hinzuschauen, welche Nerven funktionieren und welche fehlsteuern ... also grob gesagt: Schmerz, Temperaturempfinden, Tastsinn. Und vielleicht hilft es auch, sich immer wieder bewusst zu machen, was noch gut funktioniert (ich fokussiere z.B. immer wieder Tastsinn + Temperatur-Empfinden an meinen Füßen - so in der Art: "ich freue mich und bin dankbar, dass ich das jetzt spüre" - das lenkt das Bewusstsein auf Positives und löst das "Gedankenkreisen" um das Störende etwas auf).

Hier sind ein paar Übungen aus der Ergo zu finden: https://www.lebensmed-sanktpoelten.at/a ... rapie.html
gut auch hier: https://www.tumorzentrum-muenchen.de/fi ... Manual.pdf

Und wie gesagt: Geduld! Es wird mit der Zeit wirklich besser.
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