morgens chemo abends techno?

Hier kann sich jeder - in einem eigenen Thread - vorstellen. Ich bitte darum, hier auf ausschweifende Diskussionen zu verzichten. Für wichtige Themen steht dafür das "Morbus Hodgkin Forum" zur Verfügung, für weniger wichtige das "Plauder Forum"
lymphonieorchester
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morgens chemo abends techno?

Beitragvon lymphonieorchester » 21.01.2009 11:27

es is noch keine 2 monate her, da hätte ich M. Hodschgin für nen tscheschischen experimentalfilmer oder ähnliches gehalten. tja, mittlerweile weiss ich, das er kein tscheche ist. auch das "supraclavikulär" nichts weiter als "oberhalb des schlüsselbeines" bedeutet und das procabarzin nicht als potenzpotenzierer verabreicht wird, gehört neuerdings zu meinem wissensschatz. jo, der 2te bildungsweg nimmt schoa manchmal seltsame pfade.

eigentlich hab ich ja auf nen ganz prolligen lungen- bzw. leberkarzi hingearbeitet, stattdessen wird exotisch serviert: MH IV B in der geschmacksrichtung nodulär-sklerosierend. achja, ich hab ihn übrigens HAIDER getauft.

"bewusstes" clubmitglied bin ich seit irgendwann 11.2008, keine ahnung wie lange vorher haider seine autobahnen schon im körper planierte - wahnsinnigmachende juckexzesse, sein kreuz tragen und regelmässiges nachtschwimmen, sowie sukzessive verblödung, apathie und exorbitante schlappheit begleiteten mich jedenfalls schon länger.

seit 12 2009 nun beacopp+, derzeit kurz vorm 3ten zyklus und ich steck es weg wie harralt juuhnke kallllinka kefirrrr.
mehr noch: ich fühl mich seit der chemo BESSER als vorher.

kleines protokoll meiner "nebenwirkungen":


bereits im ersten zyklus komplettes verschwinden der B-symptome, resp. kolateralschäden: kein juckreiz, keine kreuzschmerzen, keine nachtsoße mehr. auch mental/neuronal halte ich zumindest den status quo. <- ich hatte barbarische angst vor dem fatiuge, das ganze scheint aber eher ein nullsummenspiel: zugegeben, das cortison induziert schon ne art narkolepsie, aber gleichzeitig befindet sich haider auf dem rückzug und scheint irgendwelche ressorcen freizugeben die mich ein höheres wachheitsgefühl als vordem verspüren lassen. folglich bin ich mindestens so wach woie prä-cemo, wenn nich sogar wacher. auf der soll-seite stehen lediglich glatze, fingerkuppenkribbeln, leichte/mittlere flauheit und haarsträubende leuko-granu-und-wie-die-ganzen-zyten-alle-heissen-werte. summasum kein sooo schlechter tausch.

allerdings funkt mein skelett seit dieser woche (ende 2ter zyklus) erneut. zudem an stellen, die bislang schmerzfrei waren.
das wirklich doofe daran: früher hätt ich dergleichen auf fehlhaltung oder andere ordinäre gründe beursacht, heute springt gleich ne assoziationskette an: da wird doch nich der haider metastieren? quatsch, das kannste doch nich fühlen! und wieso nich? nee, normaler, kolateraler osteoporöse-progress! achja, woher weisste das denn so genau??? quatsch man, das is nur ein ordinäres neulasta-nebenwirkungschen, etcpp.
also ehrlich: solcherart gedankenkarussel verursacht doch erst krebs!!! mein naiver laienverstand sagt mir, das der anti haider feldzug ganz deutlich an der mentalen front mitentschieden wird. folgernd ist jedes "reflektieren" über eventuelle ist-zustände wahrscheinlich toxischer als alle chemo-schemata. mentaler stress is so bedrohlich wie ne SS20 im waffenarsenal der gegenseite. oder anders: krebs´+hypochhondrie = schlechte prognose. aber wie wird man NICHT zum prä-nachuntersuchungs-nervenbündel? wie blendet man den ganzen quatsch soweit aus, das die krankeit den stellenwert bekommt, der ihr gebührt: das absolute minimum an notwendiger aufmerksamkeit und keinen deut mehr?? ist das hier-anmelden-und-darüber-reden überhaupt sinnig????

in dem zusammenhang merk ich auch wie ich mich davor fürchte, und es sofern möglich meide, entfernten freunden/bekannten von meinem zustand zu erzählen. ganz einfach weil ich mich diese ganzen betroffenheits-floskeln im wahrsten sinne kränk machen, insbesondere die wirklich ehrlichen. jedes "du wirst viel kraft brauchen" oder "du musst jetzt stark bleiben" ist ein echter magengrubenschlag. was wir brauchen sind mensch-alter-in-4-monaten-gehen-wir einen-saufen-ausblicke, keine unnötigen memento mori momente.

jedenfalls bin ich heilfroh, das die katholische kirche den wissensfortschritt nicht vollständig ausmerzen und das die cdu/fdp das gesundheits/sozialwesen nicht komplett privatisieren konnte.

hab ich was vergessen? ach ja: gutentag euch allen.

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Steve-O
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Beitragvon Steve-O » 21.01.2009 12:32

Na DAS nenn´ich mal ´nen Einstieg! 8)

Willkommen im Forum! Obwohl mich eigentlich gerade trockenen Wirtschaftsbüchern widmen sollte, hab ich deine Vorstellung mit Genuss komplett gelesen.

Zwei Bemerkungen:
- MH ist schmerzlos, abgesehen von den B-Symptomen merken viele Betroffene bis auf eine Schwellung (bei mir übrigens nicht axilär sondern cervical, also am Hals) nichts. Insofern musst du dir über Schmerzen in Bezug auf Krebs keine Sorgen machen- das sind vlt die berühmten Knochenschmerzen vom Neupogen...
- Die verheulten Augen meiner Mutter jeden Morgen zu sehen war für mich auch weit schlimmer, als die Therapie selbst. Man kommst sich irgendwie abgeschrieben vor... Ich hab ihr und auch anderen Sensibelchen in meinem Freundeskreis dann gesagt, dass sie gerne traurig sein dürfen, wenn ich in ein paar Jahrzehnten den Löffel abgebe - noch isses aber NICHT soweit, deswegen hätte ich ihre Unterstützung gern auf eine andere Art oder eben gar nicht.

Na dann wünsch ich dir einen guten Therapieverlauf bzw. deinem Haider den Tod und, dass du bald wieder mit deinen Kumpels einen saufen gehen kannst. :0007: :trink4:

Gruss / Stefan
Diagnose 10/2005: MH Stadium 1a mit Risikofaktor erhöhte BSG
Therapie 11/2005 bis 04/2006: HD 14 Arm A, also 4 Zyklen ABVD +17 x 1,8 Gray
Remission seit Mai 2006

"Wer kämpft, kann verlieren.
Wer nicht kämpft, hat schon verloren!" (B. Brecht)

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julsi
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Beitragvon julsi » 21.01.2009 17:40

hey duu!!!

Also deine Geschichte war trotz des Hintergrundes, ein Genuß zu lesen!
Hast du beruflich mit Wörtern zu tun?

aber erstmals ein herzliches Willkommen im Forum!
Ja diese Ängste kennen wir nur allzu gut. Die muss man irgendwie abschalten... auch ich schaffe es nicht immer.

Aber diese Ängste und bemitleiden von anderen war für mich auch immer das schlimmste! Aber jetzt is es ja vorbei und das Leben geht weiter.

also dir viel spaß dann in deinem wieder hodgkin freien leben!
lg julsi
MH 2A keine Risikofaktoren Befall: Hals
Beginn der Chemo 28.4.08
6x ABVD
CT:komplette remission
Pet negativ
keine bestrahlung!

CHEMO GESCHAFFT!!!!! YEAH!
Meine Geschichte:
http://forum.hodgkin-info.de/viewtopic.php?t=3381

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firlefrats
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Beitragvon firlefrats » 22.01.2009 23:05

Hallo Du,

das nenne ich mal einen witzigen Einstieg obwohl der Grund nicht wirklich der beste ist. Fuer Deine Therapie alles Gute und nicht zu doll "abhotten" beim Techno :carrot: .

Gruss

Daniel
Stage 1A
3* ABVD ab 12.08.2008
12.08.08-erledigt; 26.08.08-erledigt; 9.09.2008-erledigt-HALBZEIT; 23.09.2008-erledigt 75% sind durchgestanden; 07.10.2008-erledigt
21.10.2008-erledigt 100% sind durchgestanden
15.11.2008- 1.Woche Bestrahlung; 22.11.2008- 2. Woche Bestrahlung; 29.11.2008- dritte Woche Bestrahlung erledigt; 20.02.2009- PET Scan; 23.02.2009- Der GROSSE Tag fuer Ergebnisse; 25.02.2009- In Gedanken an meine Schwester(Non Hodgkin)

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Andreas
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Re: morgens chemo abends techno?

Beitragvon Andreas » 27.01.2009 16:11

Herzlich Willkommen im Forum, deine Nachricht hat auch mir den Tag gerettet. Super geschrieben, wenn gleich ein ernster Hintergrund vorliegt, Cortison sei dank ;)

Genieß das Leben. Bei war es übrigens in der Tat so das es morgens Chemo, Abends Techno hieß. Morgens 3. Tag im Zyklus und dann feiern bis die Leukos nichts mehr hergaben (7. Tag ??). Zugegeben, ich war jung und naiv, aber es war das beste was mir passieren konnte.

lymphonieorchester hat geschrieben:wie blendet man den ganzen quatsch soweit aus, das die krankeit den stellenwert bekommt, der ihr gebührt: das absolute minimum an notwendiger aufmerksamkeit und keinen deut mehr?? ist das hier-anmelden-und-darüber-reden überhaupt sinnig????


So hab ichs gehandhabt und würde es nie wieder so machen. Ich kann dir nur empfehlen dich aktiv mit der Krankheit auseinander zu setzen. Dein Umfeld wird dir dabei sicher im Weg stehen, ich musste mir von allen Seiten anhören wieso ich mich mit dem Thema ernsthaft beschäftigen möchte und hab es schlussendlich sein lassen. Nach Ende der Chemo wirst du aber sehr viel Zeit haben, deine Haare werden wachsen, dein Mondgesicht wird schwächeln und du bist wieder "vollwertiges" Mitglied unserer Leistungsgesellschaft. Und dann fängst du an zu grübeln und das hat mich persönlich in ein ziemlich tiefes Loch gerissen, aus welchem ich mich sehr, sehr langsam wieder befreien musste.

Aber trotzdem rock on und genieß die Euphorie der Pharmazie ;)
Diagnose: 02/03; Stadium IVb
Therapie: BEACOPP esk. 6x
seit 10/03 in Vollremission

lymphonieorchester
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Beitragvon lymphonieorchester » 31.01.2009 10:05

@all
vielen dank für die club-aufnahme

@andreas
wie, das loch kam NACH der therapei? in welchem sinne? das du die "krankheit als chance;)" nicht ergriffen hast und fortan ersnthafter (memento moriger) durchs leben reflektierst anstelle dein ego zu putzen und dem spassgewinn nachzujagen?


dein avatar looked ziemlich jung und die geschichte iss ja auch schon ne weile bei dir her, weshalb ich dir für den zeitraum ne gewisse jugend unterselle.
und nur damit wir fortan gänzlich aneinander vorbeireden;)
nach dem MH todestoß hast du erstmal ne "normale" teeni entwicklung (mit krankeitsausblenden)"versucht", aber das hat dich eingelocht. wieso?

Sabi
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Beitragvon Sabi » 01.02.2009 00:21

@Lymphonieorchester: :roll: ...... äääääääääääääh....miep...miep... der Kanditat kriegt 10 Minus-Punkte :wink2:
Auch wenn ich dein Vorstellungsposting sehr lustig fand Bild - aber das letzte Posting von dir fand ich (auch wenn eine gewisse Ironie enthalten war) sehr übertrieben.
Auch wenn du einen gewissen Galgenhumor hast (den ich auch habe und gut finde)... aber dein letztes Posting war um es mit deinen Worten auszudrücken "a little too much".

Auch wenn ein little bit craziness und Happiness immer gut ist .. wird es ab dem Moment wo ich dein Eindruck bekomme, jemand schreibt als habe er sich gerade ne Line durch the nose gezogen und vermittelt das Gefühl das alles heisa hoppsasa sei, wird es bei mir kritisch.
Das was Andreas dir geschrieben hat, war sehr offen und ehrlich - auch ich kann mich seinem Rat nur anschliessen. Schlußendlich musst du das für dich entscheiden und ich kann nur für mich sprechen....

Also nichts für ungut

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sparklingmarc
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Beitragvon sparklingmarc » 01.02.2009 15:16

hmm... :think2:

Die Grenze von
"gesundem Galgenhumor, der die Sache einfacher macht"
bis zu
"verzweifeltem Verdrängen um sich ja nicht ernsthaft damit auseinander setzen zu müssen"
ist halt nicht klar zu ziehen.

Bei dir, lymphonieorchester, bin ich mir nicht so sicher, auf welcher Seite dieser Genze du zur Zeit stehst.
Ahoi Marc

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Andreas
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Beitragvon Andreas » 02.02.2009 11:06

lymphonieorchester hat geschrieben:wie, das loch kam NACH der therapei? in welchem sinne? das du die "krankheit als chance;)" nicht ergriffen hast und fortan ersnthafter (memento moriger) durchs leben reflektierst anstelle dein ego zu putzen und dem spassgewinn nachzujagen?


Das lässt sich nicht sehr einfach beantworten. Ich möchte nicht sagen das die Krankheit eine Chance ist, welche Chance sollte dies auch sein? Die ganze "Situation" im zeitlichen Verlauf ist sehr chaotisch. Morgens aufstehen, abends die Diagnose Krebs. Dann gehts es Schlag auf Schlag: Untersuchung hier, Untersuchung da. Man wird aus seinem "geregelten" Leben gerissen, egal in welcher Form. Viel Zeit zum reflektieren bleibt da nicht. Chemotherapie geht los, die Umwelt und der Körper verändern sich. Zu Beginn ist die körperliche Veränderung durchaus positiv. Mit einem Schlag hatte ich wieder Appetit, fühlte mich aktiv und bin die ganze Zeit mit einer großen Portion Euphorie durch das Leben gelaufen (Cortison sei dank ;)). Ich habe im ersten Moment nichts auf mich einwirken lassen, sah nur die positive Entwicklung und hielt an ihr fest. Irgendwann kommt allerdings der Punkt wo der Körper eine kleine Downtime benötigt und das ist gegen Ende der gesamten Therapie gewesen. Ich fühlte mich alt und kaputt, auf dem Zettel bin ich allerdings Gesund und wurde in die weite Welt entlassen. Nichts ist wie zuvor gewesen. Ich bin sehr jung gewesen, wie viele andere hier auch. Doch denke ich hat dies nichts mit dem Alter zu tun, ein jeder wird Veränderungen an sich und seiner Umwelt festgestellt haben. Nichts desto trotz wollte ich mein Leben leben, bevor es womöglich zu spät ist. Dieses schnelle Tempo verhielt sich doch wie ein Boomerang. Immer im Hinterkopf die Endlichkeit und der Wunsch nach bewusstem Leben. Wir haben das Glück einen sehr positiven Krankheitsverlauf verleben zu dürfen, jedoch empfinde ich es als wichtig sich selber mit dem Thema Krebs und all seinen Folgen auseinander zu setzen bevor das "zweite" Leben startet. Das muss und sollte nicht die Endlichkeit des Lebens sein, kann aber körperliche und seelische Folgen beinhalten. Ich habe dies nicht getan, wollte nicht leben wie unsere Gesellschaft dies verlangt. Heute betrachte ich dies ein Stückweit anders, ich habe einen gesunden Weg für mich gefunden, dieser hat mich jedoch enorm Arbeit und Kraft gekostet, die hätte vermieden werden können.

lymphonieorchester hat geschrieben:dein avatar looked ziemlich jung und die geschichte iss ja auch schon ne weile bei dir her, weshalb ich dir für den zeitraum ne gewisse jugend unterselle.
und nur damit wir fortan gänzlich aneinander vorbeireden;)
nach dem MH todestoß hast du erstmal ne "normale" teeni entwicklung (mit krankeitsausblenden)"versucht", aber das hat dich eingelocht. wieso?


Der Avatar ist nun auch gute 5 Jahre Alt, aber Recht hast du, ich bin sehr jung gewesen. Wenn gleich ich nicht glaube das dies eine Frage des Alters ist. Nach MH Todestoß habe ich versucht eine für mich optimale Entwicklung zu durchlaufen, ohne dabei Folgen und Absichten vollständig zu evaluieren. Krankheitsausblenden würde ich nicht direkt sagen, man ist sich der Sache schon bewusst, man verfolgt es nur nicht mit all seinen Konsequenzen. Das hat natürlich mit fehlender Erfahrung zu tun, das ist richtig.
Diagnose: 02/03; Stadium IVb

Therapie: BEACOPP esk. 6x

seit 10/03 in Vollremission


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