Neuen Bekanntschaften vom Krebs erzählen?

Hier kann nach Herzenslust geklönt werden. Alles, was nicht unbedingt mit Morbus Hodgkin zu tun hat, gehört hier rein.
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Maimädel
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Neuen Bekanntschaften vom Krebs erzählen?

Beitragvon Maimädel » 20.07.2014 20:25

Hey ihr,

ich wollte mal fragen, ob ihr neuen Bekanntschaften von eurem Krebs erzählt? Ich erzähl das schon manchmal, aber meistens kommen wir über Umwege zum Thema.

Beispiel 1: Man unterhält sich über die Studiendauer, ich erzähle, dass ich ein Semester länger studiert habe, der Gegenüber fragt nach und ich erzähle, dass ich halt Krebs hatte.
Beispiel 2: In einer Gruppe von Studenten unterhalten wir uns über Frisuren. Der eine Typ meinte, er hätte auch schonmal ne Glatze ausprobiert. Ich erzähle, dass ich von langen Haaren über Bob bis zur Glatze auch schon alles durch habe. Ein Mädel fragt, ob die Glatze ne Wette gewesen wäre, ich erzähle vom Krebs...
Beispiel 3: Ein Mädel beschwert sich, dass das Bafög-Amt ihr kein Bafög mehr geben möchte, weil sie ein Semester länger studiert hat. Ich sag, dass sie einfach nochmal nachhaken soll, ich hatte auch einen längeren Briefwechsel bis man mir das eine Semester über der Regelstudienzeit Bafög bewilligt hat. Sie frag, was ich denn als Grund angegeben habe, ich erzähle vom Krebs...

Also ich komme irgendwie immer über Umwege drauf. Ich geh nicht zu den Leuten hin, tipp sie an und sag "Hey du, ich hatte übrigens Krebs", aber trotzdem zieh ich mit dem Thema erstmal das Gespräch an mich und steh im Mittelpunkt. Ich hab dann immer Angst, dass das so rüber kommt, als wenn ich mich damit wichtig machen möchte. Aber so ist das eigentlich nicht. Das Thema könnte ich eigentlich relativ einfach vermeiden, aber ich denk da jetzt nicht immer drüber nach, welches Thema jetzt zum Krebs-Thema führen könnte. Ich bin da während der Krebs-Zeit ziemlich offen mit umgegangen, aber da konnten es ja auch alle an der Glatze sehen. Jetzt sieht man es mir nicht mehr an. Müsste nicht das Thema an sich dann nicht auch langsam verschwinden? Ist ja immerhin ein Jahr schon her.

Was meint ihr? Wie verhaltet ihr euch? Redet ihr da mit neuen Bekanntschaften drüber oder versucht ihr, das Thema zu vermeiden?
MH Stadium IV AE (Hals, Mediastinum, Milz, Lunge)
6x BEACOPP esk. (Studie HD 18 )
1. Zyklus: 02.04.2013
2. Zyklus: 23.04.2013 (Zwischenuntersuchung: PET negativ --> metabolische Remission!)
3. Zyklus: 14.05.2013
4. Zyklus: 04.06.2013 (+ Bluttransfusion)
5. Zyklus: 25.06.2013
6. Zyklus: 17.07.2013 (wg. Leukopenie ein Tag später + Bluttransfusion zum Doping für die Klausur :D)
--> komplette Remission, keine Bestrahlung notwendig! :D
Vorstellung

Roesti
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Beitragvon Roesti » 20.07.2014 21:03

Das kann ich nachvollziehen. Auch bei mir kommt das Thema irgend wie immer wieder hoch. Auch ich bin damals sehr offen damit umgegangen und auch jetzt habe ich keine Scheu, darüber zu reden. Ich finde es eigentlich sehr gut, dass Krebs kein Tabuthema mehr ist. So viele Menschen sind davon betroffen - mehr als man gemeinhin annimmt. Darüber reden hilft irgend wie - mir jedenfalls. Manchmal stelle ich auch fest: Sch*** schon wieder bei dem Thema! Ich versuch dann, je nach Möglichkeit, nicht abzuwürgen, aber auf elegante Weise auf andere Themen zu kommen. Ich glaube, man muss je nach Situation reagieren - weder ständig davon zu reden, noch totschweigen... Und sich vor allem nicht für seine Haltung meinen rechtfertigen zu müssen!

Liebe Grüße
Rösti
Ich kann, weil ich will, was ich muss. (Immanuel Kant)
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MH Stadium 2A, RF hohe BSG, Mediastinaltumor 9,5x5,5x5,0, ED 08/11
08/11-12/11 2 x BEACOPP esk. und 2 x ABVD
01/12 Bestrahlung 15 x 2 Gy
16.03.12: CT -> Strahlenpneumonitis!
13.04.12: Beginn von Leben 2.0 - vermutlich geheilt
22.07.14: alle NUs bislang perfekt! Rest schrumpft weiter!
22.12.16: tutti paletti - alles so wie's sein soll - Kraft auch wieder zurück! NU-Intervall nun 9 Monate.
06.06.18: alles bestens - Intervall nun 1 Jahr!

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Schneider1983
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Beitragvon Schneider1983 » 22.07.2014 08:04

Ich bin der Meinung, dass es dabei hilft die Krankheitsgeschichte nach wie vor zu verarbeiten. Hatte letztens 2 junge Mitfahrer von Göttingen nach Münster und wir haben fast ne Stunde drüber gesprochen. Es tut gut zu erzählen, was einem wiederfahren ist und die Jungs waren interessiert wie es zu einem neuen Immunssystem kommt und wie das alles geht. Alles in allem eine nette Runde. Ich finde, dass da nix schlimmes dran ist. Ganz im Gegenteil.... drüber zu reden zeigt doch, dass Krebs heilbar ist und nicht wie immer angenommen ein Todesurteil!
_________________
Diagnose Mai 2010
Morbus Hodgkin, 2A , HD 16
2 Zyklen ABVD und Bestrahlung 20 Gy
Mai 2012 Rezidiv mit ähnlichem Stadium
3 x DHAP ---> HD BEAM ---> autologe SZT
PET leuchtet noch was im Medistinum
Bestrahlung 30 Grey in 17 Terminen
PET CT ---> Negativ
PET CT ---> Rezidiv ---> allogene SZT
27.05.2013 - Brentuximab Vedotin Nr. 1
17.06.2013 - Brentuximab Vedotin Nr. 2
10.07.2013 - Brentuximab Vedotin Nr. 3
PET CT ---> nix leuchtet
30.07.2013 - Brentuximab Vedotin Nr. 4

22.08.13 Anfang KMT UKM Münster für 29 Tage
Entlassung
Dez. 13 PET CT ---> leuchten am Hals, aber negativ
Feb. 14 PET CT ---> erneutes leuchten am Hals
Sep. 14 PET CT ---> nix leuchtet
Sep. 15 PET CT, Knochenstanze ---> ALLES BESTENS

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maikom
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Beitragvon maikom » 22.07.2014 08:10

Naja...ich bin immer zweigeteilt. Erzählt man seinem Gegenüber auch von jeder Erkältung und jedem Armbruch den man hatte ? Es ist und bleibt ja nur eine Erkrankung die man hatte. Sicher hat die einen geprägt und auch viel Erfahrung und Lebenswillen mitgegeben und eventuell auch ein Umdenken in manchen Fragen, aber es ist und bleibt nur eine Erkrankung.

Auf der anderen Seite sehe ich immer Schockzustände wenn man mit dem Thema Krebs umgeht, wenn es mal wieder in einer Runde darum geht, was alles ungesund ist und man dann sagt "....mir doch egal, Krebs hatte ich schon!", dann kippt mal schnell die Stimmung, weil die Leute damit überhaupt nicht umgehen können, erst Recht noch spaßig mit dem Thema umgehen, oder wenn mal wieder als junge Bursche wieder seinen Schwerbehinderten-Ausweis vorzeigt....von soher hält man dann einfach seine Klappe :?
Morbus Hodgkin, ED 07/2012, 2A ohne RF,
HD 16, 2 Zyklen ABVD und Bestrahlung 20 Gy

Wissenswertes über Morbus Hodgkin
http://www.hodgkinlymphom.de

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Maimädel
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Beitragvon Maimädel » 22.07.2014 12:39

Hey ihr,

danke für die Rückmeldung! Es scheint euch ja dann ähnlich zu gehen wir mir.

Gott sei Dank haben die Leute, denen ich das erzählt habe, immer sehr positiv reagiert. Ich geh da aber auch immer sehr locker mit um und bei mir muss keiner Angst haben, was falsches zu sagen. Die Stimmung war nach solchen Gesprächen manchmal etwas ernster, aber wirklich gekippt ist sie nie.

Trotzdem hab ich das Gefühl, dass mich manche Leute danach etwas "vorsichtiger" behandeln und das ist mir irgendwie unangenehm. Einerseits denke ich nicht, dass ich da irgendwas verschweigen muss, es gehört halt zu meinem Leben dazu, andererseits möchte ich nicht über den Krebs definiert werden und das passiert ja relativ schnell ("Julia? Wer war das nochmal? Achja, die, die mal Krebs hatte!").

Meine Bedenken kommen auch wieder mal von meiner lieben Mutter. Ich hab nach der überstandenen Therapie mal ein vorher-nachher-Bild in facebook gesetzt und allen gedankt, die mir geholfen haben. Bei meinen Freunden kam das sehr gut an. Meine Mutter meinte allerdings, ich würde mich mit dem Krebs wichtig machen und soll da nicht so viel drüber reden. Seit dem denk ich halt mehr drüber nach. Aber meine Mutter konnte da generell nicht gut mit umgehen, sie hat es gehasst, wenn ich mit Glatze die Haustür geöffnet habe ;-)
MH Stadium IV AE (Hals, Mediastinum, Milz, Lunge)

6x BEACOPP esk. (Studie HD 18 )

1. Zyklus: 02.04.2013

2. Zyklus: 23.04.2013 (Zwischenuntersuchung: PET negativ --> metabolische Remission!)

3. Zyklus: 14.05.2013

4. Zyklus: 04.06.2013 (+ Bluttransfusion)

5. Zyklus: 25.06.2013

6. Zyklus: 17.07.2013 (wg. Leukopenie ein Tag später + Bluttransfusion zum Doping für die Klausur :D)

--> komplette Remission, keine Bestrahlung notwendig! :D

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Nicolaus
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Beitragvon Nicolaus » 23.07.2014 19:15

Tja, da hat deine Mutter ein Problem, nicht du... also mache es auch nicht zu deinem!!!
Ich habe meinen Sohn mit Glatze geliebt... ehrlich... weil ich ihn immer lieben werde, ob mit oder ohne Haare, ob mit oder ohne Krankheit!!
Ich finde diese Vokabel "sich wichtig machen" in diesem Zusammenhang nicht entsprechend... reagiere so wie du es empfindes, dass ist für dich wichtig und richtig.
Nicolaus
Sohn 22 Jahre betroffen
MH IIIA Diagnose am 06.12.11
6 BEACOPP esk. - geschafft
27.04.12 kompl. Remission
ab 30.04. 4 Wo Kur Katharinenhöhe - sehr zu empfehlen,
alle Nu´s ok.

luna
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Beitragvon luna » 29.07.2014 13:31

ich denke, dass muss jede/ r für sich selbst entscheiden. ich für mich erzähle nur noch engen bekannten davon. ich habe immer wieder die erfahrung gemacht, dass sehr viele leute neugierig nachfragen. und ich mag nicht immer und immer wieder auf die selben fragen antworten. das ist nicht weil ich mich schäme, sondern einfach nicht die immer die nerven habe mich mit dem thema krebs zu konfrontiren. ich habe oft die erfahrung gemacht, dass ich die leute dann beruhigen muss. und darauf hab hab ich halt oft keinen bock. ich habe mir mit meiner psychoonkologin auch standard antworten ausgedacht, wie ich gespräche höflich abbrechen kann. ich finde man kann auch jederzeit sagen, dass man nicht über die zeit sprechen möchte. zeitweise habe ich mich immer so verpflichtet gefühlt auf jede intime frage zu antworten.
aber falls es dir nichts ausmacht und es dich nicht runter zieh, dann finde ich einen offenen umgang damit super.
schaut alle auf euch!
liebe grüsse
anja
MH Staudium 1A ohne Risikofaktoren
2 Zyklen ABVD, immer wieder Infekte
Bestrahlung noch offen, da HD 16 Studie

DieFrauVomMeer
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Beitragvon DieFrauVomMeer » 30.07.2014 11:40

Schwieriges Thema ist das. Ich erzähle eig nie jemanden davon. Nur Familie und engste Freunde wissen davon und alle diejenigen, wo das Thema weitergetratscht wurde. Ich mag es überhaupt nicht darüber zu reden, habe eig auch nur mit meinem Freund und meinen Eltern über die Krankheit gesprochen. Mit allen anderen habe ich es so abgesprochen, dass ich ganz normal behandelt werden will und keine Lust habe, darüber zu reden.
Für mich ist die Krankheit etwas, was ich selber mit mir ausmachen musste und damit gehts mir auch sehr gut. Es gibt nichts schlimmeres, als die wehleidigen Blicke, wenn man von seiner Erkrankung erzählt und erst dann wird einem meiner Meinung nach erst bewusst, dass man wirklich krank ist. Das heißt aber nicht, dass ich es gar nicht ansprechen würde, es ist eher Zufall, wenn es herauskommt, aber explizit erwähnen würde ich es nicht.

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Droschelchen
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Beitragvon Droschelchen » 10.08.2014 10:26

Ich handhabe das eigentlich ähnlich wie du. Ich laufe nicht durch die Gegend und sagen den Leuten: Hey, ich hatte Krebs!

Aber manchmal ergibt es sich einfach, dass man darauf kommt. Und dann erzähle ich es auch, immer direkt mit dem Nachsatz, dass es zwar hart war, dass es mir jetzt aber sehr gut geht.
Die Leute sind dann erstmal verunsichert, aber weil ich sehr positiv damit umgehe ist es dann auch immer ok. Manchmal kommen interressierte Nachfragen, manchmal ist es mit dem einen Satz getan.

Ich finde es wichtig, darüber sprechen zu können. Vor allem schon, um die Angst zu nehmen: Krebs ist kein Todesurteil! Man kann es durchaus überleben, heute immer häufiger als früher! Wenn es ein Tabuthema bleibt schwirren nur unnötige Ängste duch die Köpfe der Menschen.

Übrigens würde ich auch, wenn das Thema drauf kommt von einer Grippe, einem Armbruch oder einer Blinddarm-OP erzählen. Machen doch eigentlich die meisten Menschen, oder? Naja, außer mir. Hatte ich nämlich alles noch nicht ;)
Liebe Grüße, Droschel


http://forum.hodgkin-info.de/viewtopic.php?t=5153

Diagnose MH: 7.10.2011
IIA mit RF 3 befallene Regionen

14.11.2011-24.04.2012:
2x BEACOPP esk., 2x ABVD, Bestrahlung 30 GY

06.06.2012. Komplette Remission

1. NU am 05.09.2012: Alles bestens!
Portentnahme am 10.07.2013
8. NU am 21.01.2015: Alles gut

neya
Beiträge: 191
Registriert: 04.09.2010 18:49

Beitragvon neya » 09.02.2015 14:49

Ich denke, wenn man eine person ein paarmal gesehen hat und ihr von anfang an vertraut, so spricht doch nichts dagegen auch mal dieses thema anzusprechen. Ich habe bisher sehr guet erfahrungen damit gemacht neuen bekannten ziemlich früh davon zu erzählen. es tut mir persönlich gut darüber zu reden und zu vielen gabs dann nen guten kontakt.dass man dem gegenüber etwas wichtiges anvertraut wird doch meist geschätzt und die die nicht damit umgehen können si d vllt eh nicht die richtigen bekanntschaften? Ich würde generell jedem dazu raten früh offen darüber zu reden. Im endeffekt muss es aber jeder für sich wissen, wichtig dabei ist doch, dass man sich wohlfühlt. :-)
MH nodulär sklerosierend, Stadium IIa
24.9.10-30.12.10: 4zyklen abvd + Bestrahlung 30Gy, G-CSF Spritze
11.1.11: PET/CT: komplette metabolische remission - dennnoch warten auf die strahlentherapie :?
28.1.11-17.2.11 Bestrahlung 30Gy

15.7.11 Halbjahres NU und alles in Ordnung :D
17.1.14 Krebsfrei und Topfit :)
17.1.14: Neuer Job, neues Zuhause, Topfit und sogar wieder Leistungssport

Mamili
Beiträge: 7
Registriert: 19.01.2014 21:48

Beitragvon Mamili » 07.03.2015 22:42

Das finde ich ein interessantes Thema. Während meiner Therapie in 2001 bin ich sehr offen damit umgegangen. Danach habe ich aber niemandem mehr, der es nicht schon wusste, davon erzählt.. Ich glaube, vor allem weil ich die betroffenen, ratlosen Reaktionen anderer Menschen nicht mehr erleben wollte. Dann kam dazu, dass ich berufliche Schwierigkeiten befürchtete, ich habe das z.B. bei einem späteren Arbeitgeberwechsel verschwiegen. Und, ganz wichtig, weil ich nicht will, dass jemand mit meinen Kindern ueber meine fruehere Krankheit spricht, bevor ich es nicht getan habe, und zwar zu dem Zeitpunkt, wenn ich glaube, dass sie es auch verstehen können ohne zu sehr Angst zu kriegen.
Ich finde es sehr interessant, wie unterschiedlich doch damit umgegangen wird.
Wünsche euch alles Gute!
Susanne


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