Psyche und Stress im Alltag

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Lunita
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Beitragvon Lunita » 23.04.2013 11:20

Lieber Franky,

ob ich zu beneiden bin, weiß ich nicht. Ich hatte bloß das Glück, an Hodgkin zu erkranken und nicht an irgendeinem anderem, sehr schwer zu behandelnden Krebs (es hätte ja auch anders kommen können - ich weiß nicht, wie es mir heute gehen würde, wenn man mir z.B. ein Bein hätte abnehmen müssen durch die Krankheit). Außerdem kann ich als Selbstständige von zuhause (oder sonst irgendwo, nur ein Schreibprogram und Internetzugang ist wichtig) aus arbeiten. Das ist ein großer Vorteil, denn so kann ich die Zeit einteilen, wie ich es brauche (einzige Ausnahme: wenn sich ein Sprachschüler anmeldet :wink2: ). Hat aber auch Nachteile. Wenn man durch Krankheit mal richtig ausgeknockt ist, bist du als Angestellter nämlich eigentlich besser dran.

Du bist eigentlich ja doch recht früh voll wieder in deinen Job eingestiegen. Vielleicht war es etwas zu früh?

Seit der Chemo brauche ich z.B. regelmäßig einen Mittagsschlaf. Anfangs fand ich diese Tatsache furchtbar, aber jetzt habe ich dies akzeptiert, und gebe meinem Körper nach, wenn er eine Pause braucht. Denn ich weiß, tue ich es nicht, sondern ziehe die Tage komplett durch wie früher, dann kommt früher oder später der Moment, an dem ich völlig platt bin und für 2 oder 3 Tage völlig unbrauchbar. Das liegt dann natürlich nicht in meinem Sinn und ist absolut kontraproduktiv. Also doch lieber mal eine kleine Siesta, um einen Rhythmus beizubehalten.

Vielleicht braucht es auch dein Körper, dass du dich ihm ein wenig mehr anpasst. Würde das vielleicht gehen in deinem Job? Dass du die Arbeitszeiten vielleicht so verlegst, dass du einen Teil z.B. von Zuhause aus verrichten könntest, um so die Möglichkeit fürs Durchschnaufen zu bekommen?

Außerdem ist es doch auch ein Vorteil, wenn du dich weniger mit den Gedanken um Spätschäden herumplagst. Um die mache ich mir schon mal Gedanken. Oder auch ein Rezidiv. Aber gut, ich versuche da zuversichtlich zu bleiben. Es kommt alles eh wie es kommt.
Das ist aber etwas, das ich lernen musste, während der Psychotherapie: die Dinge hinzunehmen, wie sie sind. Als Perfektionistin hatte ich nämlich ständig den Drang, irgendwie auf alles einen Einfluss zu nehmen. Und da hat mir, wie gesagt, ein Medikament halt sehr geholfen, mir etwas diesen Druck zu nehmen. Auch der plötzliche Tod meines Vaters war auch so ein schmerzhaftes und prägendes Ereignis, um dies ebenfalls zu begreifen: egal wie sehr man sich bemüht, auf manche Dinge hat man einfach keinen Einfluss. Tja, und dann kam der Krebs...
Du siehst also: ich hatte einfach nur es früher lernen müssen!
Was meinst du?
MH Stadium 2B mit Risikofaktor großer mediastinaler Tumor
8xBEACOPP eskaliert, aufgrund ausgeprägter Leukopenie jedoch stetige Dosisreduktion bis BEACOPP Basis, Mai-Dezember 2010
Bestrahlung 30 Gy.

takano-san@gmx.de
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Beitragvon takano-san@gmx.de » 23.04.2013 12:08

Hallo Franky,

dann würde ich Dir aber raten, einen etwas weniger stressigen Job anzunehmen. Ich weiss, das muss man sich erst einmal leisten können und an und für sich gibts in unserer Wirtschaft eigentlich keine "lockeren" Jobs mehr, da alles entweder durchgetaktet ist, oder einer Zielvereinbahrung unterliegt. Im Zweifelsfall musst Du Dich auf Deinen Jagdschein berufen und um Erleichterungen bitten. Evtl. kannst Du auch auf 80%?

Ich guck mich bei uns auch allenthalben nach etwas weniger stressigen Jobs um, aber da ich im Moment die (für mich) magische Einkommensgrenze von 100k€ im Jahr versuche zu reissen, muss ich wohl oder übel noch etwas Gas geben. Sobald das erreicht ist, wollte ich wieder zu einem normalen 80-100% Job, evtl. sogar einer etwas leichteren Stelle wechseln.

Das mit den Tabletten schlägt mir meine Schwiegermutter, sie war Krankenschwester, auch immer vor. Aber persönlich halte ich davon wenig. Im Ernstfall habe ich auch Tavor genommen. Allerdings die letzte vor ca. 7 Monaten. Irgendwie musst Du es schaffen, Dir selbst positive Erlebnisse zu bescheren. Das klingt auch einfacher als es ist, aber die Auswahl ist wirklich gross. Und ein Einzelgänger muss ja nicht immer ein Einzelgänger bleiben.

takano
READY TO ROCK!
____________________________
15.12.2011 MH, 2a, 1 RF;
05.01. + 26.01. BEACOPP eskl.;
15.02. + 09.03. + 03.04. + 24.04. ABVD;
11.05. CT;
04.06. PET/CT - negativ
04.07. - 17.07. Bestrahlung 20 Gy
26.07. - 16.08. AHB Freiburg
08.10.2012 1. NU; 15.01.2013 2. NU, 09.04. 3. NU, 02.07. 4. NU , 15.10. 5 NU,

frankpady
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Beitragvon frankpady » 23.04.2013 12:13

naja, wie was im Leben gelaufen wäre, wenn es andersherum gekommen wäre.... sind natürlich sehr offene Fragen, die nicht zu beantworten sind.

Mein Beileid für den Verlust Deines Vaters!

Ja, ich hatte die Erkrankung gerade hinter mir und bin ohne Wiedereingliederung mit Vollzeit 39 Stunden/Woche eingestiegen. Das war ein Fehler! Aber ich kanns nicht mehr rückgängig machen.

Hatte mir damals während der Erkrankung, während der Zeit der Chemo fest vorgenommen, mir einen ganz tollen Urlaub (Mexiko) als Belohnung zu schenken... ich hatte damals das Gefühl, dass ich durch die Wiedereingliederung noch mehr Zeit ins Land streicht...

Ein Arbeitsplatz daheim als Selbständige ist von Sichtweise des Erholens sicher der bessere Ansatz als im Büro als Angestellter. Ein prozentualen Heim-Arbeitsplatz mit meinem Arbeitgeber ist leider nicht drinnen.

Mir geht es auch so, dass von mir alles geplant sein muss und in festen ordentlichen Schienen zu laufen hat. Welches Medikament hat Dir da geholfen??
02/10 Ausschlag u.Gürtelrose.
05/10 Diagnose Morbus Hogdkin
14.06.10 1.Chemo BEACOPP esk. von insgesamt 8 Zyklen
Nov/10 Ende Chemo ... uff ...!
Dez/10 CT: Rückgang aller Lymphknoten, keine Neubildung, aber Thrombose und Lungenembolie
22.12.10 PET/CT
28.12.10 Komplette nuklearmedizinische Remission
08.01.11 Bestätigung aus Köln, keine Bestrahlung!!!
Reha Stgt.20.01.-15.02.11
18.02.11 OP-Portentnahme
1.NK alles ok/2.NK ok/3.NK ok/4.NK ok/5.NK/6.NK/7.NK ok
8.Nachsorge-Kontrolle 15.12.12

Lunita
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Beitragvon Lunita » 23.04.2013 14:18

Danke dir, Franky! Schmerzhaft wird so ein Verlust immer irgendwie bleiben, zumal es meine Mutter und ich waren, die ihn im Garten fanden und sofort Wiederbelebungsmaßnahmen versuchten. Leider ohne Erfolg. Auch der Rettungsdienst konnte nichts mehr machen. Natürlich habe ich als Tochter oft mal eine Situation, in der ich ihn immer wieder vermisse, insbesondere wenn ich mal wieder einen guten Rat bräuchte. Aber immerhin hatte ich einen tollen Vater gehabt! Das ist ja auch leider nicht immer selbstverständlich.

Klar ist es schon ein Vorteil, sich seine Arbeitszeit selber einteilen zu können. Aber wenn ich mal wirklich für mehrere Monate komplett ausfallen würde, ist das finanziell ein ziemlicher Verlust. Das ist dann der Vorteil als Angestellter.

Das Medikament welches mir geholfen hat, ist sogar das Medikament, welches heute als das meist genommene Antidepressivum schlechthin gilt: Fluoxetin (das berühmte "Prozac" der Hollywood-Heinis). Es hilft nämlich auch bei anderen Erkrankungen wie z.B. Bulimie, oder Zwangsverhalten, den innerlichen Druck etwas zu nehmen. Mein Hausarzt hatte irgendwann die glorreiche Idee, es doch damit mal zu probieren. Vorher hatte ich nämlich schon mal Cipramil (Wirkstoff: Citalopram) verschrieben bekommen (in der psychotherapeutischen Klinik) und Amitriptylin. Beide sollten gegen die depressive Verstimmung helfen. Bloß war die offenbar nie mein Hauptproblem gewesen! Dann hatte ich noch ein paar andere Medikamente in der Klinik ausprobieren sollen, welche gegen den Drang bei Stress und Versagungsgefühlen mir selbst die Haut zu verletzen, helfen sollten. Aber auch die waren keine große Hilfe gewesen, denn das Verletzen war schließlich nur eine Symptomatik, aber keine Ursache für den Teufelskreis.
Nun muss dies aber nicht heißen, dass Fluoxetin auch für dich eine Hilfe sein wird. Leider kann man das nämlich nicht pauschalisieren, ob selbiges Medikament auch dem anderen mit ähnlicher Problematik hilft. Da hilft nur ausprobieren in Rücksprache mit einem Arzt, der dich gut kennt, bzw. einem Therapeuten. Wenn man das Richtige aber gefunden hat, dann kann es wirklich sehr hilfreich sein, was die innerliche Spannung betrifft. Natürlich schafft es einem auch nicht die Probleme weg, aber es macht es einem selbst leichter, sie sich aus dem Weg zu räumen.

Übrigens: auch ich bin eigentlich Einzelgängerin! :wink2: Das mag vielleicht nicht so wirken, da ich recht extrovertiert bin. Außerdem kann ich mich auch nicht über einen Mangel an Kontakten und Freunden beklagen. Aber ich war und bin immer schon gerne allein! Ich habe auch überhaupt keine Probleme damit, mal tagelang, ja sogar wochenlang keine Menschenseele zu sehen, solange ich was zu tun habe, meinen Hund bei mir habe, und die Möglichkeit auch immer wieder mal einem Hobby wie Lesen, Kunst oder der Natur nachzukommen.
Aber auch das sind Sachen, die ich erst mal verinnerlichen musste. Denn heutzutage hat man ja doch immer die Erwartungshaltung sich irgendwie anzupassen, einem Ideal zu entsprechen. Und Einzelgänger gehören nun mal nicht wirklich dazu. Ich musste also wirklich lernen, dazu zu stehen auch mal offen "nein" zu sagen, wenn ich jetzt keine Lust hatte auf diese oder jene Party und das ständige Auf-Achse-Leben, sowie andere nicht zu enttäuschen mit einer Absage.
MH Stadium 2B mit Risikofaktor großer mediastinaler Tumor

8xBEACOPP eskaliert, aufgrund ausgeprägter Leukopenie jedoch stetige Dosisreduktion bis BEACOPP Basis, Mai-Dezember 2010

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luisl
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Beitragvon luisl » 30.04.2013 08:27

Hallo,

Mit Ängsten habe ich deutlich mehr Probleme als vor der Erkrankung. Irgendwelche körperlichen Befindlichkeitsstörungen und schon kann ich mir irgendwas einbilden. Das kommt so alle paar Wochen mal vor. was mir hilft: Mit jemand drüber reden und nach ein paar Tagen ists dann wieder weg.

hast du mal über eine psychologische Behandlung nachgedacht?? Könnte dir vielleicht langfristig helfen ....

LG

Luisa
Diagnose:MH StadiumIIB Mediastinum
Chemobeginn: 11.6.2012 6x Beacopp
12. 10. 2012
PET-Ct am 6.11. Hodgkin hat keinen Stoffwechsel mehr!
danach interstitionelle Pneumonie ausgelöst durch Bleomycin
Reha start in Freiburg am 22. 11.- 20. 12
4.2. 1. NU, in Ordnung!!
Mai: 2.NU prima
9/13 3. NU super!

frankpady
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Beitragvon frankpady » 30.04.2013 09:26

Ist halt auch immer so eine Sache... erst einmal einen guten Psychologen finden bzw. die sind meist so überlaufen, dass Du keine Termine bekommst.

Bei mir ist das momentan eh immer so ein act, überhaupt zu einem Arzt zu gehen bzw. mich aufzuraffen.
02/10 Ausschlag u.Gürtelrose.

05/10 Diagnose Morbus Hogdkin

14.06.10 1.Chemo BEACOPP esk. von insgesamt 8 Zyklen

Nov/10 Ende Chemo ... uff ...!

Dez/10 CT: Rückgang aller Lymphknoten, keine Neubildung, aber Thrombose und Lungenembolie

22.12.10 PET/CT

28.12.10 Komplette nuklearmedizinische Remission

08.01.11 Bestätigung aus Köln, keine Bestrahlung!!!

Reha Stgt.20.01.-15.02.11

18.02.11 OP-Portentnahme

1.NK alles ok/2.NK ok/3.NK ok/4.NK ok/5.NK/6.NK/7.NK ok

8.Nachsorge-Kontrolle 15.12.12

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Registriert: 14.11.2012 20:30

Beitragvon luisl » 30.04.2013 10:40

Hast du schon mal einen Psychologen aufgesucht? Das könnte vielleicht auch hilfreich sein, wenn du regelmäßig Probleme hast!
Diagnose:MH StadiumIIB Mediastinum

Chemobeginn: 11.6.2012 6x Beacopp

12. 10. 2012

PET-Ct am 6.11. Hodgkin hat keinen Stoffwechsel mehr!

danach interstitionelle Pneumonie ausgelöst durch Bleomycin

Reha start in Freiburg am 22. 11.- 20. 12

4.2. 1. NU, in Ordnung!!

Mai: 2.NU prima

9/13 3. NU super!


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