Chemo-Bilanz...

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leuchtturm
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Beitragvon leuchtturm » 15.11.2010 20:44

Hi Lunita,
Hi @all,

ja, die "netten" Ratschläge haben mich auch so manches Mal auf die sprichwörtliche
Palme gebracht. Speziell das "Du solltest jetzt dies so machen, oder jenes empfinden, du musst das noch tun, trink micht mehr..."

Mit den Angehörigen ist das so eine Sache...
Aber wenn einem die eigene Frau schon sagt: "Du hast es ja gut, du kannst ja ggf. sterben, aber wir- wir müssen damit weiter leben!"
Das fand ich denn doch etwas - sagen wir mal - deplatziert.

Mit der Chemo - mmh, die zweite Hälfte zog sich gefühlt irgendwie schon hin...
Ich muss gestehen, je näher die letzte Runde kam, desto mehr habe ich eine seltsame Aggression in mir bemerkt. Aber so gut das ging, hab ich das für mich behalten.

Ansonsten - ich weiss nicht, wieso das so ist - hab ich mir eine gewisse Souveränität dabei zu Eigen gemacht und bin auch offensiv mit meinem "Freund" umgegangen.
Ja Yoda, auf den "Effekt" hab ich auch jedes Mal gewartet, aber so richtig kam das erst Zuhause, da musste ich anfangs so manches Mal "telefonieren"...
Speziell die Antikörper (O-Ton Arzt: ist ja nur ein Eiweiß) haben mich jedes Mal auf die Pritsche geworfen. Der Tag war jedes Mal gelaufen...

Nervig fand ich die Knochenschmerzen und die immer länger andauernde Geschmacklosigkeit. Das in Verbindung mit den typischen Cortison- Fressattacken war schon ziemlich strange...

Nennt mich ruhig egoistisch - aber ich finde, gerade wir, die wir "sowas" hinter sich gebracht haben, haben jedes Recht, unser Leben lebenswert zu gestalten.
(Das mal so nebenher, mal abgesehen von der thematischen Treffsicherheit von meinem einen..)

Liebe Grüße
vom Leuchtturm
hoch malignes großzelliges B-Zell Lymphom Stadium IIA ,festgestellt 15.12.07
Staging: 7. - 10.1.08
Therapie: 6-8x R-CHOP 21 ab 14.01.08
16./17.4. SZ sammeln - fertig!
8. Zyklus am 11.06.08 - fertig!
23.06. Staging - fertig!
06.08. PET/CT - hurraaaaa!!!
20.08.-17.09. - Reha Ratzeburg
10/08 Sono- i.o.
11/08 1. NS - i.o.
02/09 2. NS - i.o.
05/09 3. NS - i.o.
08/09 4. NS - i.o.
11/09 5. NS - i.o.
02/10 6. NS - i.o.
05/10 7. NS - i.o.
12/10 8. NS - ???

Lunita
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Beitragvon Lunita » 15.11.2010 21:27

@yoda: Stimmt, man entwickelt eine gewisse Routine. Aber gerade in dieser Routine gab es dann doch wieder unerwartete Reaktionen. So irgendwann hatte ich gedacht, jetzt müßte dies und das einsetzten, so wie in den Zyklen davor, aber dann war es doch nicht so. Kam aber beim nächsten Zyklus wieder. Dann wiederum waren manche Nebenwirkungen am Anfang ausgeprägter und unangenehmer, besserten sich aber im Verlauf. Dafür setzen zum Ende hin wiederum andere ein. Manche habe ich jetzt noch. Die Gefühlsstörungen durch das Vincristin z.B., immer noch Nachtschweiß, etc. Aber ich hatte das große Glück, dass bei mir nix para gelaufen ist! Gerade bei Adriamycin und Vincristin hatte ich eine Heidenangst davor!
@Leuchtturm: bei mir war der Geschmack völlig gestört. Teilweise schmeckten Dinge süß, die überhaupt nicht süß schmecken. Dann gab es Tage, in denen sogar Wasser so schmeckte, als würde man in eine Zitrone beißen. Da merkt man dann auch was allein für ein Stück Lebensqualität doch ein normaler Geschmack ist. So allein darauf habe ich mich gefreut: Essen wieder richtig GENIESSEN zu können. Überhaupt das gesamte Verdauungssystem an sich. Ich weiß ja nicht wie es bei euch war, aber ich hatte während der Chemo da echt Probleme! Hab mir dann Milchzucker besorgt. ;-) Kaffee hätte mir auch geholfen, aber den vertrug ich vom Magen her nicht. Vor allem in der Zeit des Natulans und den anschließenden Tagen mit dem Antibiotika.
Und zur Grundfrage: Hm… ich vergleiche es mal anders: kurz vor Schluss empfand ich eine Durststrecke. Hatte keinen Bock mehr. Es zog sich noch so ewig hin und die Reserven waren aufgebraucht. Ich zog mir dann den Vergleich zu einem Marathonwettkampf heran, dachte daran wie bei denen war, um mich quasi selber aufzubauen: so kurz vor Schluss biste völlig fertig und denkst dir: was zum Henker mache ich hier eigentlich?! Aber hinschmeißen möchte man auch nicht, weil es ja keinen Sinn machen würde nach all der Vorbereitung und weil man es ja einfach schon soweit schon geschafft hat. Solange die Lunge brennt, der Körper nur noch Schmerz ist, schwört man sich „nie wieder!“. Aber dann, sobald es vorbei ist, ist man doch überrascht und vor allem stellt man fest, dass man es wieder machen würde. Ähnlich geht mir irgendwie jetzt mit der Chemo. Zuzüglich zu den Gedanken und Gefühlen, die ich bereits erwähnte.
Also es ist schon alles irgendwie eigenartig derzeit… Vielleicht aber liegt es wirklich an dieser momentanen Phase NACH der Chemo, in der man noch nicht genau weiß wie es weitergeht.
Liebe Grüße zurück und einen schönen Abend!

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yoda
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Beitragvon yoda » 15.11.2010 22:28

Ja, man kann wohl schon sagen - das spüre ich auch aus euren Zeilen raus - dass die ganze Scheisse auch etwas Gutes hatte. Ich bin nicht mehr der gleiche Mensch wie vorher. Sage zwar vielmals meinen Angehörigen, dass "ich eine Chemo und keine Hirnwäsche" gekriegt habe. Doch verändert habe ich mich auf jeden Fall. Die Verarbeitung läuft bei mir noch ganz stark. Es gibt noch viele Nächte, wo ich vor dem Schlafen sehr viele Gedanken an die Therapiezeit wälze. Und über den glücklichen Ausgang. Gerade vorhin sah ich das im Fernsehen. Früher liess mich das unberührt. Heute nicht mehr:

http://www.virtualflower.ch/Movies/sfl-web/mitTagOn/Fleurop_Interflora-Alice_01-TagOn_Weltweit_D37.html
Morbus Hodgkin Stadium 4B mit Milz-, Leber- und multipler Knochenbefall; Therapieschema: BEACOPP 8x eskaliert
Therapiebeginn: 08.04.09; Therapieende: 16.09.09; alle Nachsorgeuntersuchungen bis 02.04.14 ok Vorstellung/Krankheitsgeschichte

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leuchtturm
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Beitragvon leuchtturm » 15.11.2010 22:43

hey ihr beiden,

ich behaupte mal, nach so einem Erlebnis ist man nicht mehr der /die Gleiche...
Mir ging es so, dass ich nach der Therapie förmlich in ein Loch gefallen bin.
Plötzlich war alles vorbei, das Existieren nach Plan war vorbei.
Bei mir war auch noch einiges an Restgewebe, und erst das PET hat gezeigt, dass das nicht mehr aktiv ist...
In meiner Erinnerung daran bin ich wie betäubt zum Auto gelaufen, um dann erst mal ne Weile hemmungslos vor mich hin zu heulen...

Genau, Yoda, so geht es mir auch, solche - ich sag mal - emotionalen Momente nehmen mich nun auch gefangen. Früher hat mich das nicht wirklich tangiert.
Auch das Verhältnis zu meiner Freundin ist ein ganz Besonderes.
Da sind so dermaßen intensive Gefühle im Spiel - hätte ich selbst nicht
für möglich gehalten...

Jaja der Geschmack... Bei mir schmeckte alles nach Papier - also nach nix.
In der zweiten Hälfte kam der so gut wie gar nicht wieder - erst ca. 6 Wochen nach allem war der Geschmack wieder da - was für eine Offenbarung! Herrlich!
Ich weiß noch, wie ich einen dermaßenen Jieper nach einer Schokolade mit Erdbeerstückchen hatte - aber die schmeckte nach nix!
Ich konnts nicht glauben! Letztlich hab ich das ganze Ding aufgefuttert und mich immer noch gewundert, dass es nach nix schmeckte... buuuaaaah!

Euch auch einen schönen Abend!

Liebe Grüße
vom Leuchtturm
hoch malignes großzelliges B-Zell Lymphom Stadium IIA ,festgestellt 15.12.07

Staging: 7. - 10.1.08

Therapie: 6-8x R-CHOP 21 ab 14.01.08

16./17.4. SZ sammeln - fertig!

8. Zyklus am 11.06.08 - fertig!

23.06. Staging - fertig!

06.08. PET/CT - hurraaaaa!!!

20.08.-17.09. - Reha Ratzeburg

10/08 Sono- i.o.

11/08 1. NS - i.o.

02/09 2. NS - i.o.

05/09 3. NS - i.o.

08/09 4. NS - i.o.

11/09 5. NS - i.o.

02/10 6. NS - i.o.

05/10 7. NS - i.o.

12/10 8. NS - ???


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