Psychische Probleme nach MH

Forum für alles, was in irgendeiner Weise mit Morbus Hodgkin zu tun hat. Dieses Forum soll in erster Linie aktuell Betroffenen helfen.

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Swantje

Psychische Probleme nach MH

Beitragvon Swantje » 05.01.2003 00:00

Hallo Ihr alle,
Der Artikel von Lady Sira im Gästebuch gibt bei mir den Anstoß nun auch im Forum zu diesem Thema zu schreiben!

Viele Wochen frage ich mich schon, ob ich die einzige bin, die mit den psychischen Folgen des MH nicht klar kommt, oder ob die anderen sich genauso wenig trauen, darüber zu schreiben, wie ich!

Ich denke auch die ganze Zeit darüber nach, ob es fair ist sowas ins Gespräch zu bringen, wenn andere noch mitten in der schweren Therapie sind und ich selber es geschafft habe und wieder gesund bin.
Aus diesem Grund habe ich immer versucht über die positiven Seiten hier im Forum und im Gästebuch zu schreiben.

Klar bin ich froh die Therapie geschafft zu haben und wieder gesund zu sein. Lieber schreibe ich "zur Zeit gesund zu sein", denn ich habe panische Angst, wieder zu erkranken.

Ca. 2 Monate nach Beendigung der Therapie fing ich an, in eine Depression zu fallen. Ich konnte es nicht aufhalten!!!!
3 Wochen vor meiner 2 Nachuntersuchung wäre ich am liebsten gestorben, da ich nicht mehr ein noch aus wußte. Es ging mir trotz Psychopharmaka so schlecht,wie nie zuvor. Ich konnte nicht einmal mehr aus dem Haus gehen.
Mit Hilfe einer Psychologin, meinem Mann und Freunden, sowie harter Arbeit an mir selber, geht es mir wieder etwas besser.
Aber ich weiß immer noch nicht genau, was außer dieser panischen Angst vor dem MH, mir so zusetzt, daß ich sterben wollte.

Ich leide sehr unter dieser Situation und würde gerne mit anderen darüber sprechen, die ähnliche psychische Probleme haben, bzw. hatten.

Swantje

Sandra

Psychische Probleme nach MH

Beitragvon Sandra » 05.01.2003 15:18

Hallo Swantje

Ich denke, deine Gefühle kennen hier alle. Die einen versuchen ihre psychischen Probleme mit Psychopharmaka, die andern mit einem Therapeuten, dritte mit Beten zu lösen und wiederum anderen geht es rasch wieder besser. Ich gehöre zu denen, die sich immer geweigert haben Psychopharmaka zu schlucken, weil ich es mit Hilfe meiner Familie und dem ganzen Umfeld schaffen wollte. Meistens ist es gelungen. Dennoch, in ein Loch zu fallen, Hilfe anzunehmen und vor allem dazu zu stehen ist nichts Schlimmes! Ich habe auch total Panik vor den jeweiligen Nachuntersuchungen, aber wer kann schon sagen, dass er oder sie den nächsten Tag gesund überlebt? Ich denke da an Autounfälle usw. Ich weiss, man denkt nicht daran. Hat man einmal so was Schlimmes erlebt, verfolgt es einem. Auch mich. Ich versuche, die Angst nicht zu meinem Tagesinhalt machen zu lassen! Und ich hoffe, es gelingt mir von TAg zu Tag besser!
Sandra

claudia

Psychische Probleme nach MH

Beitragvon claudia » 05.01.2003 19:00

Liebe Swantje,

wie Sandra schon geschrieben hat, jeder von uns hat mit den Ängsten dass wieder etwas kommen könnte zu kämpfen. Bei mir sind es wie Phasen, in den einen bin ich stark und optimistisch, in den anderen lass ich mir durch den Kopf gehen was ich alles bei einer Wiedererkrankung erleben müsste, durchlebe es richtig, was mich dann total fertig macht.
Ich denke aber, dass diese Phasen mit der Zeit besser werden, d. h. in die positive Richtung gehen, da ja mit zunehmender Zeit die Gefahr eines mögliches Rezidivs abnimmt. Ich bin immer froh wenn ich die nächste Nachsorge wieder geschafft habe. Außerdem habe ich mir angewöhnt positiv zu denken, d. h. in der Gegenwart zu leben, jetzt ist schließlich alles in Ordnung und mich nicht von Gedanken runterziehen zu lassen was sein könnte, was vielleicht niemals eintrifft. Ich kenne dazu einen guten Spruch: "Sorge Dich nicht was kommen könnte, sonst zahlst Du im Voraus Zinsen für Schulden, die Du vielleicht niemals machen wirst."
Außerdem denke ich so wie Sandra, jeder Mensch hat das Risiko krank zu werden, viele tragen sogar schon eine schlimme Krankheit in sich und wissen es nicht. Wir aber werden immer untersucht und selbst wenn etwas wäre, was bei M. H. ja recht gering ist, könnte uns geholfen werden, bei anderen ist es vielleicht leider schon zu spät.
Man muss stark werden und sich mit den Folgegedanken der Krankheit arrangieren. Es geht alles, man muss sich nur daran gewöhnen. Aber man soll auch mal die traurigen Phasen erleben was nach unserem Erlebnis absolut normal ist und zur Verarbeitung beiträgt. Jemand der sich keine Gedanken mehr darüber machen würde wäre nicht normal!
LG
Claudia

Christoph Gress

Psychische Probleme nach MH

Beitragvon Christoph Gress » 05.01.2003 19:05

Hallo Swantje,
ich kann deine Ängste ganz gut verstehen. Während der ganzen Therapie ging es mir eigentlich seelisch ganz gut, habe einige sehr positive(leider auch einige negative!!!) Erfahrungen im Bekanntenkreis machen können.
Zeitweise haben mir auch Rotwein und Cannabis "geholfen", das habe ich mittlerweile eingestellt. Aber so nach und nach kommen auch bei mir (leichte)Zweifel, Angstzustände und so Fragen wie warum , weshalb, was mache ich überhaupt auf der Welt und und und. Das solche Depressionen erst viel später kommen (können) habe ich ja auch schon hier gelesen.
Das Bewußtsein für meinen kleinen Sohn dasein zu wollen und müssen und die Liebe zu meinem Sohn geben mir enorm viel Kraft - ohne mein Kind wäre ich sicher schon auf manch dumme Gedanken gekommen.
Heute hat mich ein LKW, der mir ausser Kontrolle auf eisglatter Fahrbahn entgegenkam, fast plattgemacht - es muß also nicht der Krebs sein...
Ich wünsche allen Betroffenen viel Kraft um mit ihrer Situation umgehen zu können.
Christoph

Dagmar

Psychische Probleme nach MH

Beitragvon Dagmar » 07.01.2003 01:34

Jaaa, wir werden alle immer wieder untersucht, aber... Im Krankenhaus habe ich eine Menge Leute getroffen, die trotz der dauernden Untersuchungen wieder an Krebs erkrankt sind und niemand hat es bemerkt. Ich will hier nicht Panik verbreiten, natürlich gibt es gaaanz viele Menschen, die gesund und froh weiterleben. Die trifft man natürlich nicht mehr im Krankenhaus. Eine Ärztin in der Nuklearmedizin sagte mir auf meine Frage nach dem erhöhten Zweitkrebsrisiko nach Bestrahlung: " Es ist nicht erwiesen, aber es mag sein. Sehen Sie es doch mal so: vor 15 Jahren wären Sie jetzt schon bald tot, so haben Sie 10 oder 15 Jahre dazu gewonnen." Klingt im ersten Moment hart, aber hat es nicht auch was für sich? Und wer weiß, welche Fortschritte die Medizin in den nächsten Jahren macht. Die ganze Behandlung heutzutage ist zwar schrecklich, aber schon total mild gegen die Behandlung von vor 5 Jahren und trotzdem genauso hilfreich. In 10 Jahren schlucken MH Erkrankte vielleicht nur noch 10x2 Tabletten am Tag und das wars!!!In diesem Sinne: Kopf hoch! Eine Depression kann übrigens auch noch andere Ursachen haben, der blöde MH kommt dann noch als Verstärker hinzu. Liebe Swantje, es wird wieder, früher oder später, halte durch. Alles Liebe
Dagmar

claudia

Psychische Probleme nach MH

Beitragvon claudia » 07.01.2003 19:08

Liebe Dagmar,

es gibt zu allem eine Steigerung, ob positiv oder negativ. Klar, dass was wir hatten ist keine Grippe gewesen, aber ich kenne einige Personen die vor bis zu 20 Jahren M. H. hatten, manche sogar Non-Hodgkin im Endstadium vor 10 Jahren, denen geht es blendend. Leider gibt es immer Fälle bei denen das Ergebnis nicht so gut ausfällt, deswegen heißt es ja auch, dass M. H. bis zu 90 % der Fälle heilbar ist, sonst würde es ja heißen 100 %. Es kommt auch darauf an welche Therapie jemand bekam, d. h. welche Dosis. Die Menschen die ich kenne bekamen vor über 10 Jahren eine Megadosis und zum Glück geht es ihnen gut. Wir haben ja heute das Glück nur noch das Notwendigste an Dosis zu bekommen. Und ich hoffe so wie Du, dass in den nächsten Jahren noch mehrere Erfolge auf diesem Gebiet erzielt werden. Hoffen wir für uns alle das Beste!!!!

Monika

Psychische Probleme nach MH

Beitragvon Monika » 07.01.2003 21:31

Liebe Swantje,
bei mir wurde MH im November 2001 diagnostiziert (ich war 39, mein Sohn Moritz gerade mal 4 JAhre alt) und ich wurde bis April 2002 mit 7 x BEACOPP behandelt. Auf eine Bestrahlung wurde aufgrund der Ct-Ergebnisse ("alles weg") und eines unauffälligen Pet verzichtet. Der Jubel über die überstandene Krankheit hielt allerdings nicht lange an. Plötzlich kamen Zweifel - Zweifel, die ich während der ganzen Behandlung nicht hatte. So froh ich darüber war, die Behandlung hinter mich gebracht zu haben, so wurde mir doch nun erst klar, daß mich die Erfahrung "Hodgkin" nie wieder verlassen wird. Besonders schwer fand ich in dieser Zeit, dass alle um mich herum, Mann, Familie, Freunde mich nicht verstehen konnten. Sie waren so weit weg von mir und meinen Gedanken und Erfahrungen. Für mich war der irrsinnige Glaube an die eigene Unverletzlichkeit plötzlich ein für allemal dahin. Bei der Bewältigung dieser Erkenntnis hat mir dann im Herbst 2002 ein Buch sehr geholfen. Leider ist es wohl nur auf Englisch zu haben aber glaub mir, jedes Wort darin spricht Dir so aus dem Herzen, dass es zu verstehen ist Es heißt "Dancing in Limbo" von Glenna Halvorson-Boyd und Lisa K. Hunter. Ich habe es über Amazon bestellt. Nach der Lektüre habe ich mich auch daran gemacht, mit einem Psyochologen über meine Erkrankung zu reden. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass wieder viele andere Dinge in meinem Leben wichtig werden. Ich will so viele Dinge unternehmen! Meine Hodgkin-Erfahrung wird immer zu mir gehören, sie hat mich geprägt und verändert. Aber sie bestimmt nicht mehr mein Leben! (Das lässt sich natürlich leichter sagen nach meiner heutigen nachsorgeuntersuchung, bei der alles o.k. war!).
Ich wünsche Dir alles Gute,
Monika

Susi

Psychische Probleme nach MH

Beitragvon Susi » 09.01.2003 12:04

Wir wollen leben, jede einzelne Zelle unseres Körpers will das. Wollen wir sterben, uns umbringen, so ist das doch meist ein verzweifelter Versuch andere auf unsere Leiden aufmerksam zu machen. Alles dreht sich doch um das Überleben. Und die meisten hatten früher den irrsinnigen Glauben (und damit auch Vertrauen in sich und die Welt) unverletzlich zu sein. Hodkin hat diesen zerstört. Mit einem Therapeuten habe ich in einer letzten Sitzung das Schlimmste durchgespielt: Ich habe wieder Hodkin, man kann nichts mehr machen, ich weiß, dass ich sterbe. In allen Facetten musste ich mir mein Ende ausmalen. Wie stelle ich mir das Sterben vor? Wie sage ich es meinem Freund? Und wie meiner Mutter? Es war die Hölle, aber ich habe mich meiner größten Angst gestellt. Sie ist jetzt nicht weg, aber ich akzeptiere ihre Existenz, ich kann sie beherrschen (und nicht umgekehrt).

Susi

Psychische Probleme nach MH

Beitragvon Susi » 09.01.2003 12:11

"Unsterblichkeit
Die furcht vor der Endlichkeit
raubt mir Hoffnung und Verstand.
Ich drücke meine Lippen in den Sand,
eine neue Welle bringt Nichtigkeit.

Mit dem Wind fliegen.
Im Meer versinken.
Zu Erde zerfallen.
Im Licht unsichtbar werden.

Die Endgültigkeit zehrt von meinem Herz
und nährt die Tränen von Morgen.
Unter Stein und Erde verborgen
singen Stimmen von uraltem Schmerz.

Mit einem Funken verglühen.
Zu Stein erstarren.
Im Sturmtosen verstummen.
Mit den Wolken die Form verlieren.

Auf meinem Auge ruht unmerklich
ein Falter aus Schwarz und Samt
aus Morpheus Reich verdammt;
Die Sehnsucht wird im Nichts unsterblich.

21. November 2000, 2 Monate nach der Diagnose Morbus Hodgkin IIa, während der Chemotherapie BEACOPP"


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